Jedes Jahr das gleiche Ritual: Der Vatertag wird von Politik und Medien
genutzt, um auf Männer einzudreschen, der Weltfrauentag dagegen, um den
Heiligenschein von Frauen zu polieren und deren ewiges Opferlamento zu
reproduzieren. Da die von sich selbst besoffenen Journalisten in ihren
redaktionellen Filterblasen nicht willens sind, einen realistischen Blick auf
die Wirklichkeit zu werfen, habe ich beschlossen, jedes Jahr zum 8. März als
Korrektiv ein besonders widerliches Exemplar des weiblichen Geschlechts zu
präsentieren samt den Bagatellisierungsversuchen derer, die von ihren
reaktionären Geschlechterklischees einfach nicht lassen können.
Ilse Koch
Ilse Köhler, geb. 22.9.1906 in
Dresden, gest. 2.9.1967 im Frauengefängnis Aichach (Oberbayern) durch
Selbstmord. Beruf: Sekretärin. Am 2.4.1932 bittet sie um Aufnahme in die NSDAP,
die ihr am 1.5. bewilligt wird. 1934 lernt sie den Sturmbannführer der SS Karl
Koch kennen, den sie im Mai 1937 heiratet. Sechs Wochen danach übernimmt er das
Kommando über das KZ Buchenwald, Ilse folgt ihm Ende des Jahres. Mit ihrem Mann
und den Kindern, die sie bekommt, lebt sie in einer von Häftlingen errichteten
Villa in der SS-Führersiedlung von Buchenwald. Beide führen dort ein ausschweifendes
Leben, während sich die Bevölkerung ab 1939 kriegsbedingt einschränken muss,
und bereichern sich in großem Stil.
Die „Kommandeuse“, wie man Ilse
Koch nennt, wird binnen Kurzem zur verhasstesten Person des Lagers. Sie lässt
von den Gefangenen unter mörderischem Tempo eine Reithalle bauen, was zahllose
Häftlinge das Leben kostet, und hat ein sadistisches Vergnügen daran, die Menschen,
die ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, zu quälen, indem sie etwa
Häftlinge, die ihr Missfallen erregen, bei Bewachern denunziert und dafür
sorgt, dass sie bestraft werden. Übliche Strafe im Lager ist das Verprügeln auf
dem Prügelbock. Wenn ihr danach ist, schlägt sie Gefangenen mit ihrer
Reitpeitsche ins Gesicht, gelegentlich hetzt sie auch einen Hund auf den einen
oder anderen Häftling, der dabei grausam zugerichtet wird und unter Umständen
an den Folgen stirbt. Außerdem sieht sie gern bei Hinrichtungen zu.
Dreimal wird Ilse Koch später vor
Gericht gestellt: 1943 (gemeinsam mit ihrem Mann) von der SS, 1947 von einem
US-Militärgericht und 1950 von den Deutschen.
Der Mythos
Weltweite Verbreitung findet das
Gerücht, sie hätte Häftlinge ihrer Tätowierung wegen töten lassen und
anschließend dafür gesorgt, dass ihnen die Haut abgezogen und diese zu
Pergament verarbeitet wird, woraus dann Lampenschirme, Büchereinbände, Geldbörsen
und Handtaschen hergestellt worden seien, sowohl für den Eigengebrauch als auch
um sie zu verkaufen oder Nazigrößen als Geschenk zu überreichen. Angesichts der
Tätowierung eines Unglücklichen soll sie geäußert haben: „Oh! Der ist schön,
der geht nicht in den Ofen, der gehört mir.“ Woraufhin der Mann angeblich
gehängt wurde (PD, S. 90).
Die Kritik
Natürlich kommen ihr schon
frühzeitig weiße Ritter zu Hilfe, um sie zu entlasten, beispielsweise Gerhard Mauz 1967 im Spiegel anlässlich ihres Selbstmords: „In einer Welt, wie der unter
Hitler, konnte und musste eine Ilse Koch ihrer Veranlagung folgen. (...) Ilse
Koch hat sich erhängt in Aichach, ein Opfer eigener Schuld, aber wohl mehr noch
ein Opfer kollektiven Willens zur Selbstentschuldigung.“
Diejenigen, die an einer
Verharmlosung ihrer Verbrechen interessiert sind, berufen sich in der Regel auf
das Buch von Arthur Smith, der darin zu Recht deutlich macht, dass die Gerichtsverfahren
gegen sie fehlerhaft waren, teilweise von unerfahrenen Militärs geführt wurden
und sicher auch andere Faktoren als die Suche nach der Wahrheit hineinspielten,
namentlich die politischen Umstände (Beginn des Kalten Krieges,
Kompetenzgerangel, das schlechte Gewissen der Deutschen und ihr Interesse zu
beweisen, dass sie bereit waren, Kriegsverbrecher zu bestrafen), die mediale
Vorverurteilung und die Forderung der Öffentlichkeit nach Rache. Richtig ist
auch, dass im Gegensatz zu ihr viele Kriegsverbrecher nach kurzer Zeit
begnadigt wurden (S. 202).
Obwohl sich Smith um Genauigkeit
bemüht, akribisch recherchiert hat und Ilse Koch durchaus nicht weißwäscht,
sondern sie als moralisch verkommene, rücksichtslose und grausame Person
bezeichnet, sind doch andererseits seine eigenen Vorurteile nicht zu übersehen.
Während er etwa Karl Koch schonungslos als den brutalen Machtmenschen darstellt,
der der SS-Mann zweifellos war („als Verbrecher geboren“ (S.9), „wird von allen
als äußerst rücksichtslos geschildert“, „skrupellos“, „unberechenbar“,
„gefühllos“, „hinterhältig“, „jähzornig“ (S. 12), „Abschaum“ (S. 45)), sucht er
für Ilse Koch nach Entschuldigungen, die er für ihren Mann nie gelten ließe: „Allerdings
wird auch klar, dass auch sie ein Opfer war“ (S. 4), „ein Opfer der
Zeitumstände“ (S. 5), „Sie war in die Strömungen des zeitgenössischen deutschen
Extremismus geraten“ (S. 207), „An diesem Punkt [als sie ihren späteren Mann
kennenlernte] begann für Ilse der Weg nach unten. Wenn sie nur geahnt hätte,
was das Schicksal für sie bereit hielt, dann wäre sie nie eine Beziehung mit
Karl eingegangen. Tatsächlich erkannte sie sein wahres Wesen erst, als es
bereits zu spät war“ (S. 9, kritiklos übernommenes Zitat eines Freundes der
Familie).
Dass Aussagen in den
Gerichtsverfahren gegen sie mit Vorsicht zu genießen sein mögen, weil sie auf
Hörensagen beruhten, weil Zeugen aus der zeitlichen Distanz Dinge durcheinanderbrachten
oder ihr Gedächtnis aufgrund der barbarischen Zustände in Buchenwald nicht mehr
zuverlässig arbeitete, weil sie gar von übereifrigen Angehörigen der
US-Militärregierung beeinflusst oder bedroht wurden (S. 114-115, 220, 222) oder
Wichtigtuer und Trittbrettfahrer sich an der allgemeinen Hysterie beteiligten,
all das ist nachvollziehbar. Die Behauptung jedoch, es könnten auch Rachemotive
mitgespielt haben, derentwegen Zeugen möglicherweise gelogen hätten (S. 62),
macht als Unschuldsbeweis wenig Sinn. Warum sollte man sich an jemandem rächen
wollen, der einem nichts getan hat? Es erklärt auch nicht den beispiellosen
Hass gegen sie, der durch die Tatsache, dass sie als Frau etwas Besonders im
Lager war, nicht verständlicher wird, schließlich gab es noch sieben andere SS-Frauen
dort (S. 36), gegen die keinerlei Anschuldigungen erhoben wurden.
Die Fakten
Allgemeine Übereinstimmung
besteht darin, dass Ilse Koch eine notorische Lügnerin war. Sie hat ihre
Biografie zu schönen versucht, ihre Mitgliedschaft in der NSDAP vor Gericht
verschwiegen und in den Prozessen grundsätzlich alles geleugnet, was ihr
vorgeworfen wurde, selbst offensichtliche Dinge (Der Vorsitzende im Prozess von
1950: „Wenn man auch die selbstverständlichsten
Dinge abstreitet, kann man nicht erwarten, in strittigen Punkten Glauben zu erwecken.“
(vgl. auch S. 92); „Es gibt Dinge, die man abstreiten kann, aber Sie streiten
ja auch jede Kleinigkeit ab.“ (S. 194)).
Richtig ist, dass Ilse Koch keine
offizielle Stellung bekleidet hat und demzufolge keine Befehlsgewalt besaß.
Aber ebenso richtig ist, dass sie es verstanden hat, sowohl ihren Ehemann als
auch andere SS-Männer dazu zu bringen, an ihrer Stelle zu handeln, wie auch
Smith zugibt (S. 53, 208-209, 215).
Dass sie in Bezug auf das Lager
ahnungslos gewesen sein will („Ich sah Gefangene nie so abgemagert, dass es mir
aufgefallen wäre (...), ich habe die Gefangenen nie genau angesehen“), darf
getrost ins Reich der Märchen verwiesen werden, zumal sie einen Schlüssel für
das Büro ihres Mannes besaß, wo sie sich regelmäßig die Akten anschaute (S. 52,
93, 210, 215).
Umstritten ist, ob sie sich
innerhalb des mit Stacheldraht eingezäunten Gefangenenbereichs des Lagers
aufgehalten hat. Die Frage mag für ein Gerichtsverfahren von Bedeutung sein,
für die Bewertung der Vorwürfe ist sie unerheblich, denn Ilse Koch hatte auch außerhalb
genug Gelegenheit, mit Gefangenen in Kontakt zu kommen, etwa auf dem Weg zur
Krankenstation oder auf dem Weg zum Arbeitseinsatz, beim Straßenbau, bei
Arbeiten an der Koch’schen Villa etc. (S. 57-58, 60-63), ganz abgesehen davon,
dass ihr Häftlinge als Diener zur Verfügung standen.
Erwiesen ist, dass sie persönlich
Gefangene geschlagen (S. 60-62, 166, 170), Hunde auf Gefangene gehetzt (S. 195)
und Gefangene gemeldet hat, die dann bestraft wurden (S. 170, 211, 216). Die
berüchtigte Prügelstrafe auf dem „Bock“, auf dem Gefangene mit Bambusstock oder
Weidenrute auf den nackten Hintern geschlagen wurden, was häufig Blutgefäße zum
Platzen brachte, war eine Tortur, die viele der geschwächten Männer nicht
überlebten (S. 42). Erwiesen ist auch, dass Ilse Koch gern bei den Quälereien
zugesehen hat (S. 58).
Dass es abgezogene Menschenhaut
und Lampenschirme aus Menschenhaut in Buchenwald gegeben hat, auch in der
Koch’schen Villa, ist im Übrigen ebenfalls unbestritten (S. 102-103, 123, 124,
126-128, 134, 164, 165, 192, 224-225), es konnte lediglich in den Prozessen
kein unmittelbarer Bezug zu Ilse Koch hergestellt werden.
Ohnehin verstellt die Fixierung
auf abartige Perversionen den Blick auf Ilse Kochs typisch weibliche
Verhaltensweisen. Die schon erwähnte indirekte Gewaltausübung durch willfährige
Männer, die ihr erlaubten, Verantwortung zu delegieren, ist eine davon. Sich an
sexueller Macht über Männer aufzugeilen und diese mit sadistischer Lust an Gewalt
zu kombinieren, eine andere.
Erwiesen ist, dass sie
provozierende Kleidung trug und aufreizend vor den Häftlingen herumstolzierte,
um diejenigen, die sie ansahen oder von denen sie es auch nur behauptete, zu
melden und wegen Belästigung bestrafen zu lassen (S. 28, 36, 85-86, 208-209),
weil sie „die Frau des Kommandanten begehrt“ hätten (S. 61). Die Bestrafung
geschah, wie erwähnt, durch den „Bock“ und führte nicht selten zum Tode. Im
SS-Prozess gab sie zu, dass sie Häftlinge für Bestrafungen gemeldet hatte, weil
diese sich „ihr gegenüber in ungehöriger oder beleidigender Weise betragen
hätten“ (S. 64, 216), eine Aussage, die sie später mit der Begründung, sie
hätte einen „Nervenzusammenbruch“ erlitten, widerrief.
Typisch weibliches Verhalten kann
man auch bei den Prozessen beobachten, sobald es darum ging, Verantwortung für
ihre Taten zu übernehmen.
Die Prozesse
Aufgrund von Intrigen innerhalb
konkurrierender Nazicliquen und weil die Kochs ihre kriminellen Aktivitäten
übertreiben und in großem Stil Bargeldbeträge und Wertsachen unterschlagen,
werden Karl und Ilse Koch 1943 von einem SS-Gericht wegen „Wehrkraftzersetzung,
Unterschlagung und Mord“ angeklagt (Letzteres, weil Karl Koch Häftlinge, die
unliebsame Zeugen seiner Verfehlungen waren, ermorden ließ und diese Morde
durch gefälschte Krankenakten zu natürlichen Todesursachen umdichtete, S. 80,
88). Ilse Koch schiebt alles auf ihren Mann und stilisiert sich zu seinem
Opfer, wie es in solchen Fällen üblich ist (S. 72, 216), ändert jedoch ihr
Verhalten später, als es ihr zum Vorteil gereicht (S. 74). Auch simulierte
Nervenzusammenbrüche gehören zu ihrem Standardrepertoire (S. 72). Karl Koch
wird zunächst freigelassen, später zum Tode verurteilt und im Frühjahr 1945
hingerichtet, seine Frau freigesprochen, weil sie weiß, was sie zu tun hat:
„Man braucht den Richtern nur schöne Augen zu machen und das Blaue vom Himmel
herunterzulügen.“ (PD, S. 127, 133).
Nach dem Krieg wird sie verhaftet
und kommt 1947 vor ein US-Militärgericht in Dachau. Dort hat sie die Stirn zu
behaupten, sie sei wie eine Mutter zu den Gefangenen gewesen. Weil sie es
schafft, sich während ihrer Gefangenschaft schwängern zu lassen, kommt sie um
die Todesstrafe herum und wird zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Da
die Beweisführung im Prozess fehlerhaft war und einer objektiven Nachprüfung
nicht standhält, lässt General Lucius Clay ihre Strafe auf vier Jahre
herabsetzen. Als diese Nachricht durchsickert, löst sie Empörung aus.
William D. Denson, der Ankläger
im US-Prozess, erklärt nach der Herabsetzung des Strafmaßes: „Ich wusste viel
mehr über Ilse Koch, als in den Prozessakten aufgenommen wurde. (...) Viele
Einzelheiten konnten vor Gericht nicht vorgebracht werden. Ein großer Teil der
Akten über sie kann auch hier nicht wiedergegeben werden, weil es so unaussprechlich
unanständig ist. Es genügt zu sagen, das Ilse Koch eine noch nie dagewesene
sadistische Perversität besaß.“ (PD, S. 11).
Unter dem Druck der
Öffentlichkeit wird ihr ein weiterer Prozess gemacht, diesmal von den Deutschen.
Dieser findet 1950 vor dem Schwurgericht Augsburg statt, wo Ilse Koch arrogant
auftritt, wohl weil sie davon ausgeht, wie immer glimpflich davonzukommen (Nach
dem Krieg soll sie gesagt haben: „Ich habe noch genug Charme, um einen amerikanischen
oder französischen Offizier für mich zu gewinnen, der mich dann beschützen
wird.“ (PD, S. 141)). Sie leugnet ihre Taten, kann sich angeblich an nichts
erinnern, behauptet, die Ankläger hätten sich gegen sie verschworen und würden
mit ihren schmutzigen Fantasien eine sittenreine Frau und Mutter mit Dreck
bewerfen, spielt Nervenzusammenbrüche vor und hofft offenbar, für
unzurechnungsfähig erklärt zu werden (S. 197). Es nützt ihr nichts. Sie wird
wegen Anstiftung zum Mord, Anstiftung des versuchten Mordes, Anstiftung zu
schwerer körperlicher Misshandlung und in zwei Fällen der körperlichen
Misshandlung zu lebenslanger Haft verurteilt und erhängt sich 1967 in ihrer Zelle.
Quellen:
Arthur L. Smith jr.: Die Hexe von Buchenwald
(Böhlau, Weimar – Köln – Wien, 1994)
Pierre Durand: Die Bestie von Buchenwald
(Brandenburg. Verlagshaus, Berlin 1990)
Wolfgang Benz: Legenden, Lügen, Vorurteile (DTV, München 1995)
Klaus-Michael Mallmann / Gerhard Paul: Karrieren der Gewalt.
Nationalsozialistische Täterbiografien (Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
Darmstadt 2004) (S. 126 – 133)
David A. Hackett: Der Buchenwald-Report (C. H. Beck, München 1996)
https://de.wikipedia.org/wiki/Ilse_Koch
https://en.wikipedia.org/wiki/Ilse_Koch
http://www.scrapbookpages.com/DachauScrapbook/DachauTrials/IlseKoch.html
http://www.buchenwald.de/1132
Die Spiegel-Berichterstattung
von 1948 – 1950 und 1967:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44419496.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44420953.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44447388.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44451261.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46462444.html
(PD = Pierre Durand; alle anderen Seitenzahlen
beziehen sich auf das Buch von Arthur L. Smith)
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