Im Aquarium

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Freitag, 8. März 2019

Zum Weltfrauentag: Pauline Nyiramasuhuko

Jedes Jahr das gleiche Ritual: Der Vatertag wird von Politik und Medien genutzt, um auf Männer einzudreschen, der Weltfrauentag dagegen, um den Heiligenschein von Frauen zu polieren und deren ewiges Opferlamento zu reproduzieren. Da die von sich selbst besoffenen Journalisten in ihren redaktionellen Filterblasen nicht willens sind, einen realistischen Blick auf die Wirklichkeit zu werfen, habe ich beschlossen, jedes Jahr zum 8. März als Korrektiv ein besonders widerliches Exemplar des weiblichen Geschlechts zu präsentieren samt den Bagatellisierungsversuchen derer, die von ihren reaktionären Geschlechterklischees einfach nicht lassen können.

Pauline Nyiramasuhuko

Pauline Nyiramasuhuko ist eine Vorzeigefrau. 1946 in Butare, Ruanda geboren, arbeitet sie nach der Highschool unter anderem als Sozialarbeiterin und nimmt in Israel an einem Seminar für afrikanische Frauen in Führungspositionen teil. Später macht sie einen Universitätsabschluss in Rechtswissenschaften. Sie ist ehrgeizig und hat politische Ambitionen. Als ehemalige Schulfreundin der Präsidentengattin Agathe Habyarimana steigt sie rasch in der Hutu-Elite Ruandas auf, wird Ministerin für Familie und Frauenförderung und gehört zu jener Handvoll Menschen innerhalb der Regierung, die gezielt den Genozid an den Tutsis vorbereiten. Sie selbst wird in ihre Heimatstadt geschickt, um dort die Massaker zu organisieren.

In Butare leben Tutsis und moderate Hutus friedlich zusammen, extremistische Hutu-Positionen haben hier keinen Platz. Pauline Nyiramasuhuko sorgt zunächst für Anti-Tutsi-Demonstrationen und bezeichnet Tutsis als „Dreck“ und „Kakerlaken“. Ob sie von Rassismus oder simplem Opportunismus getrieben wird, um Karriere zu machen, lässt sich nicht mehr feststellen. Weil sich der Gouverneur von Butare weigert, an den von der Regierung angeordneten Verbrechen teilzunehmen, wird er ermordet. Pauline Nyiramasuhuko ruft die Präsidentengarde zu Hilfe, um mit dem Abschlachten zu beginnen.

Das ausgestreute Gerücht, im Stadion würde das Rote Kreuz Essen verteilen und Schutz garantieren, erweist sich für die Hilfesuchenden als Falle. Pauline Nyiramasuhuko lässt das Stadion von paramilitärischen Kräften unter Führung ihres Sohnes umstellen. Tutsis werden erschossen, mit Macheten verstümmelt, mit Eisenstäben erschlagen, in Kloaken ertränkt, Frauen werden vorher vergewaltigt. Straßensperren sollen eine Flucht verhindern. Pauline Nyiramasuhuko sucht junge Mädchen für die Vergewaltigungen aus, besorgt Bier für die Soldaten und Benzin für die Scheiterhaufen danach. In ihrem Beisein werden siebzig Tutsi-Frauen vergewaltigt, mit Benzin übergossen und angezündet. Manchmal verteilt sie vor den Vergewaltigungen Kondome an die Vergewaltiger.

(Auch Pauline Nyiramasuhukos Schwiegertochter Beatrice Munyenyezi ist an den Gräueltaten beteiligt. Beispielsweise wählt sie gezielt Tutsis für Vergewaltigung oder Tod aus, belohnt Vergewaltiger mit Bier und Essen, bringt Schwangere in eine Grube zum Abschlachten, erschießt eine Nonne vor einem jubelnden Mob oder verhöhnt einen 21-jährigen, indem sie ihm erzählt, dass die Milizen gerade seiner Mutter den Kopf abgeschlagen haben.)

Der Völkermord, der am 6. April 1994 beginnt, sorgt in nur hundert Tagen für die Ermordung von – je nach Schätzung – zwischen 500.000 und einer Million Tutsis und gemäßigten Hutus. Dreiviertel der Tutsi-Bevölkerung kommt dabei ums Leben.

Nach dem Zusammenbruch des Regimes flieht Pauline Nyiramasuhuko. In einem Interview, in dem sie mit Mordvorwürfen konfrontiert wird, sagt sie: „Ich kann nicht mal ein Huhn töten. Wenn jemand behauptet, dass eine Frau – eine Mutter – getötet haben soll, dann werde ich diese Person zur Rede stellen.“

1997 wird sie in Nairobi festgenommen und muss sich ab 2001 in einem zehn Jahre dauernden Prozess verantworten. Ohne ihre Beteiligung wäre der Völkermord in Butare nicht möglich gewesen, sagt die Staatsanwaltschaft. 2011 wird sie als erste Frau vom UN-Tribunal wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt.

Journalisten, die sich mehr für ihre äußere Erscheinung als für ihre Taten zu interessieren scheinen, heben hervor, Pauline Nyiramasuhuko sei die einzige weibliche Angeklagte des Tribunals und die erste Frau weltweit, die wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor einem internationalen Gericht stehe, um sie auf diese Weise zur großen Ausnahme zu stilisieren. Tatsächlich ist sie bei Weitem nicht die einzige Frau, die sich wegen Völkermordverbrechen verantworten muss, allein in Ruanda sind es Tausende. Auch dass in den Berichten über den Völkermord die Vergewaltigungen in den Vordergrund gestellt werden, während die abgeschlachteten Männer kaum eine Zeile wert sind, spricht Bände.

Wenig überraschend versucht Pauline Nyiramasuhuko, die Frauenkarte zu spielen, um ungeschoren davonzukommen, und erklärt sich zum Opfer von Sexismus: Man würde ihr etwas anzuhängen versuchen, weil sie eine gebildete Frau sei. Ihre Mutter rezitiert ein ähnliches Mantra: „Es ist unvorstellbar, dass sie diese Dinge getan hat. Sie würde den Leuten nicht befehlen zu vergewaltigen und zu töten, schließlich ist Pauline eine Mutter.“

Journalisten tragen ihren Teil dazu bei, Geschlechterklischees wie diese zu unterstützen. Ein Kommentator erklärt kurzerhand, mit den Gerichtsverfahren gegen Pauline Nyiramasuhuko hätten Männer eine ideale Lösung gefunden, um ihre eigene Schuld zu mindern, indem sie eine Frau beschuldigten. Ein kanadischer Journalist meint, in Wahrheit sollte die patriarchale Kultur Ruandas vor Gericht gestellt werden: „In jeder Kultur, in der Männer dominieren, (...) helfen viele Frauen, unsägliche Grausamkeiten gegen verletzliche Mädchen und junge Frauen fortzusetzen. Weibliche Genitalverstümmelung, Witwenverbrennungen, Ehrenmorde – Frauen spielen ihre Rolle bei all diesen Verbrechen, nicht nur, weil sie machtlos sind und keine Wahl haben, sondern auch, weil sie von den Giften des Patriarchats getrunken und diese gründlich verdaut haben.“

Wer sich jetzt immer noch Illusionen über „das einfühlsame Geschlecht“ macht, der sei auf die Aussage von Annette Widmann-Mauz, Vorsitzende der Frauen-Union der CDU, verwiesen, die im Rahmen der aktuellen Diskussion um eine Frauenquote in Parlamenten die Ermordung von Männern offenbar für vorbildlich hält, solange diese wie im Fall von Ruanda dazu führt, dass Frauen die getöteten Männer im Parlament ersetzen. Anders kann man ihre Interpretation des Völkermords als „Umstrukturierung der Politik“ kaum verstehen. Auch solche Art Empathielosigkeit ist ein integraler Bestandteil der alljährlichen Jubelarien zum Weltfrauentag.



Quellen:

http://www.mjilonline.org/wordpress/wp-content/uploads/2013/06/MJIL-34-3.pdf#page=75
https://ir.lawnet.fordham.edu/cgi/viewcontent.cgi?referer=https://de.wikipedia.org/&httpsredir=1&article=1929&context=ulj
http://www.irmct.org/sites/unictr.org/files/case-documents/ictr-98-42/trial-judgements/en/110624.pdf
https://www.nytimes.com/2002/09/15/magazine/a-woman-s-work.html?pagewanted=all&src=pm
http://www.spiegel.de/politik/ausland/ruanda-erste-frau-muss-wegen-voelkermords-lebenslaenglich-hinter-gitter-a-770480.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25832008.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Pauline_Nyiramasuhuko
https://informationcradle.com/africa/pauline-nyiramasuhuko/
https://www.youtube.com/watch?v=csf21Y-ZEbM
http://www.taz.de/!275640/

zu Beatrice Munyenyezi:
https://www.bbc.com/news/world-us-canada-23335404
https://www.theguardian.com/world/2013/feb/22/rwandan-woman-stripped-citizenship-genocide

zu Widmann-Mauz
https://www.frauenunion.de/images/stories/docs/Annette_Widmann-Mauz_Impuls_zu_100_Jahre_Frauenwahlrecht.pdf
Link gefunden über:
https://geschlechterallerlei.wordpress.com/2019/02/25/femokratenliste-diese-politiker-wollen-das-wahlrecht-fuer-maenner-einschraenken/

Weitere Artikel zum Weltfrauentag:

Ilse Koch

Beate Zschäpe

Leni Riefenstahl

 

 


1 Kommentar:

Vielen Dank für deinen Kommentar. Sobald ich ihn gelesen und geprüft habe, schalte ich ihn frei.
Viele Grüße
Gunnar