Im Aquarium

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Mittwoch, 8. März 2023

Zum Weltfrauentag: Emmeline Pankhurst

Jedes Jahr das gleiche Ritual: Der Vatertag wird von Politik und Medien genutzt, um auf Männer einzudreschen, der Weltfrauentag dagegen, um den Heiligenschein von Frauen zu polieren und deren ewiges Opferlamento zu reproduzieren. Da die von sich selbst besoffenen Journalisten in ihren redaktionellen Filterblasen nicht willens sind, einen realistischen Blick auf die Wirklichkeit zu werfen, unterziehe ich auch dieses Jahr zum 8. März wieder einen feministischen Mythos einer kritischen Überprüfung.


Biografische Eckdaten

Emmeline Goulden, geboren am 15.Juli 1858, war eine britische Feministin und die Galionsfigur der Suffragetten. Aus ihrer Ehe mit Richard Marsden Pankhurst gingen fünf Kinder hervor, wobei die beiden Jungen früh starben. Ihre Töchter Christabel und Sylvia waren ebenfalls in der Frauenbewegung aktiv. 1917 gründeten Emmeline und Christabel die Frauenpartei „mit einer merkwürdigen Mischung von feministischen und faschistischen Programmpunkten“ (EP 336-337), etwa der Forderung nach rassischer Reinheit. Emmeline Pankhurst starb am 14. Juni 1928.


Emanzipationsbewegungen

Ihre Autobiografie, geschrieben kurz vor Ausbruch des 1. Weltkriegs, liest sich spannend und lässt den Leser mitfühlen angesichts der Ungerechtigkeiten, denen sie und ihre Mitstreiterinnen ausgesetzt waren: der Ignoranz, der Polizeibrutalität und der Folter durch Zwangsernährung. Ihr Zorn ist daher verständlich – richtet sich aber gegen die Falschen. Wie das so ist, wenn man in Stammeskategorien denkt und Menschen in Gruppen einteilt.

Ja, den Suffragetten wurden systematisch Steine in den Weg gelegt, sie wurden verspottet, drangsaliert und daran gehindert, ihre Forderungen durchzusetzen. Ja, manch eine Frau musste dabei Krankheit, Verletzung, sogar Tod im Kauf nehmen. So erging es allerdings noch jeder Emanzipationsbewegung, gleichgültig, ob sie von Bürgern, Arbeitern, Bauern oder ethnischen Minderheiten getragen wurde. Jede Veränderung des Status Quo bedroht die Privilegien der Herrschenden, die deshalb alles daransetzen, um ihre Macht nicht teilen zu müssen. Dabei ist ihnen oft jedes Mittel recht. Eine Anmerkung in der deutschen Ausgabe von Pankhursts Autobiografie verdeutlicht es: „Der Widerstand gegen das Frauenwahlrecht erklärt sich zum Teil aus der Furcht, es könne dadurch zu ganz unkalkulierbaren Verschiebungen bei den Wählermehrheiten kommen.“ (EP 325) Premierminister Asquith und Co haben die Suffragetten also nicht deshalb unterdrückt, weil diese Frauen waren, sondern weil sie – unabhängig vom Geschlecht – ihre Macht nicht teilen wollten.

Um das, was die Suffragetten erdulden mussten, in die richtige Perspektive zu rücken:

  • Der Kampf der Arbeiter um gerechte Löhne war stets mit Lebensgefahr verbunden. 1810 und 1818 wurden Streiks in britischen Spinnereien vom Militär blutig niedergeschlagen.
  • 1839 trieben Soldaten eine Versammlung der Chartisten gewaltsam auseinander, 22 Männer fanden dabei den Tod. 
  • Die Tolpuddle Martyrs, sechs Landarbeiter, wurden 1834 zu sieben Jahren Verbannung nach Australien verurteilt, weil sie eine geheime, aber friedliche Vereinigung gegründet hatten, um für besseren Lohn zu kämpfen. 
  • Und was der britisch-irische Konflikt auf beiden Seiten an Blutzoll gekostet hat, muss wohl nicht weiter ausgeführt werden.

Ähnliches galt auch für Deutschland:

  • Die Karlsbader Beschlüsse von 1819 bewirkten die Überwachung und Verfolgung missliebiger Personen, die bei „erweislicher Abweichung“ der herrschenden Ansichten entlassen und mit Berufsverboten belegt werden konnten. Etliche Betroffene wurden ins Gefängnis geworfen, einige gar zum Tode verurteilt.
  • Das soziale Elend im Gefolge der industriellen Revolution, die sinkenden Löhne, die Arbeiterfamilien an den Rand der Existenz brachten und Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und einem menschenwürdigen Leben nach sich zogen, sorgten für Aufstände in den 1830er Jahren, die blutig niedergeschlagen wurden.
  • Beim Weberaufstand 1844 in Schlesien schoss das Militär in die Menge, tötete 11 Weber und verletzte 24 schwer, weitere wurden verhaftet und teilweise ausgepeitscht.
  • Die Revolution von 1848, in der Bürger u. a. eine Verfassung sowie das Ende feudaler Rechte und der Zensurmaßnahmen forderten, hatten allein in Berlin rund 240 Tote und 1.000 Verletzte unter der Zivilbevölkerung zur Folge.

Nur Feministinnen glauben, sobald sie gezwungen sind, dieselben Risiken einzugehen und dasselbe Leid auf sich zu nehmen wie Männer, es handele sich um eine spezielle Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts. Pankhurst selbst beschreibt in ihrer Bografie zwei männliche Streiter für Redefreiheit, die wegen Aufruhr ins Gefängnis mussten: „Aber sie wurden berühmt; sie waren maßgeblich daran beteiligt, dass das Recht auf Redefreiheit durchgesetzt wurde – zumindest für die englischen Männer, die englischen Frauen müssen noch immer darum  kämpfen.“ (EP 24) An anderer Stelle rechtfertigt sie ihre Hinwendung zu gewaltsamem Vorgehen mit den Worten: „Jeder Fortschritt der politischen Freiheit von Männern war gekennzeichnet von Gewalt und Zerstörung von Eigentum“ (EP 202). Mit anderen Worten: Die Realität für Männer sah seit jeher so aus, dass sie sich jede kleinste Verbesserung ihrer Existenz, jeden Fußbreit Boden ertrotzen mussten, wie Emmeline Pankhurst genau weiß. Dennoch erwartet sie, ungeachtet ihrer eigenen Beobachtungen, dass Frauen das, wofür Männer – oft unter  Einsatz ihres Lebens – kämpfen müssen, auf dem Silbertablett serviert bekommen.

Dass der Widerstand gegen das Frauenwahlrecht nichts mit dem Geschlecht zu tun hat, beweist im Übrigen die von Pankhurst unterschlagene Tatsache, dass es vor allem Frauen waren, die dagegen zu Felde zogen. Noch vor den Männern gründeten Frauen einen Anti-Frauenwahlrechtsverein. Wie so oft ging es dabei um die angebliche „natürliche Bestimmung der Frau“, die ja auch in Deutschland jahrzehntelang als Ausrede dafür herhalten musste, dass Frauen keinen Zwangswehrdienst leisten mussten (und auch von denen, die behaupten, es gäbe keinen Unterschied zwischen Mann und Frau, habe ich noch nie ein Wort der Kritik daran gehört). 1914 besaß das mittlerweile mit einer Männerorganisation fusionierte Anti-Frauenwahlrechts-Bündnis 42.000 Mitglieder, zu 85 Prozent weiblich.


Lebenswirklichkeit

Pankhurst beklagt das Schicksal von Frauen, auf deren Gesundheit bei schwerer Arbeit keine Rücksicht genommen werde, und menschenunwürdige Zustände, „die Frauen das Herz brechen“. (EP 30) Entweder hat sie keine Ahnung von den Realitäten, unter denen Männer im 19. Jahrhundert lebten, oder – wahrscheinlicher – sie blendet sie einfach aus. Wir reden hier von einer Zeit, in der es für Männer normal war, mit gesundheitsschädlichem Material zu arbeiten oder etwa im Bergwerk unter Bedingungen, die ihre Gesundheit ruinierten. Von den Gefahren, denen sie dabei ausgesetzt waren, der physisch anstrengenden Arbeit, der langen Arbeitszeit – oft 12 bis 15 Stunden plus je eine Stunde Arbeitsweg, die von niemandem vergolten wurde – und der körperlichen Erschöpfung, die in einer entsprechend niedrigen Lebenserwartung resultierte, ganz zu schweigen. Die Arbeit der Männer wurde von Stechuhren und Sirenen bestimmt, von Drill und Kontrolle, von Akkordarbeit und der zwangsweisen Anpassung an den Arbeitsrhythmus von Maschinen.

Während der technische Fortschritt Frauen schon bald Erleichterungen etwa in Form von Waschmaschinen, Staubsaugern etc. verschaffte, interessierte sich niemand dafür, die Arbeitsbedingungen der Männer durch größere Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern. Welchen Druck es zudem bedeutete, verpflichtet zu sein, eine Familie zu ernähren und dadurch gezwungenermaßen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen hinzunehmen, um nicht auf die Straße gesetzt zu werden, wird ebenso selbstverständlich von feministischer Seite ignoriert wie die Tatsache, dass Arbeiterfrauen meist die Verfügungsgewalt über das Einkommen ihrer Männer besaßen und das Geld am Zahltag am Fabriktor abholten. Einige Betriebe zahlten übrigens direkt an die Frauen aus, die in der Regel die finanziellen Entscheidungen trafen.*


Selektive Wahrnehmung

Nicht minder typisch ist es, zwar die Behinderung durch Männer deren Geschlecht zuzuschreiben, die breite Unterstützung durch Männer jedoch unter den Teppich zu kehren oder zu bagatellisieren. So auch Emmeline Pankhurst, die das Kunststück fertigbringt, die Hilfe zu beschreiben, die dem Anliegen von Frauen durch Männer zuteil wird, und diese doch zugleich zu negieren. Angefangen bei Pankhursts eigenen Ehemann Richard Marsden Pankhurst, dem Mitstreiter Frederick Pethick Lawrence und dem Politiker Keir Hardie über die Wegbereiter des Frauenwahlrechts wie Ferdinand Lassalle und John Stuart Mill („John Stuart Mill brachte den ersten Gesetzesentwurf für das Frauenwahlrecht ins Unterhaus ein.“ (JP 290)) bis zu den vielen namenlosen Männern, die laut Pankhursts eigenen Worten die Sache der Suffragetten unterstützten und empört waren über die Behandlung der Frauenrechtlerinnen durch die Obrigkeit. Oder jenen männlichen Abgeordneten, die 1910 einen „Versöhnungsausschuss“ bildeten, dessen Aufgabe es war, „alle Befürworter des Frauenwahlrechts im Unterhaus (...) zusammenzubringen und eine Wahlrechtsvorlage zu entwerfen, die mit vereinter Kraft verabschiedet werden könnte“ (EP 152). Diese Vorlage wurde, nebenbei gesagt, von einer breiten Front getragen: „Keine Gesetzesinitiative dieses Parlaments wurde [in 2. Lesung] mit einer so großen Mehrheit angenommen“ (EP 159), ehe sie an der Haltung der Regierung scheiterte.


Wahlrecht

Aber wie sah es denn in Großbritannien mit dem Wahlrecht für Männer aus? Nach der ersten Parlamentsreform (First Reform Act) von 1832 besaßen ca. 14% (nach anderen Quellen 18%) der männlichen Bevölkerung das Wahlrecht.** Nach dem dritten Reformgesetz von 1884 besaßen 60 % der männlichen Haushaltsvorstände über 21 Jahren das Wahlrecht, 40 % waren also nicht wahlberechtigt.

Das allgemeine (d.h. an keine Bedingungen außer der Volljährigkeit gebundene) Wahlrecht für Männer wurde in England erst nach dem 1. Weltkrieg eingeführt (EP 322), wie Emmeline Pankhurst sehr wohl weiß, wenn sie nebenbei erwähnt, dass 1912 die Möglichkeit bestand, „dass die Regierung eine Vorlage zum allgemeinen Wahlrecht der Männer (...) einbringen wollte“ (EP 200). Es ist daher Heuchelei, wenn sie beim Ausbruch des 1. Weltkriegs beklagt: „Was immer das Ergebnis dieses europäischen Krieges sein wird – er wird auf jeden Fall schrecklich sein in seinen Auswirkungen auf Frauen, die keine Stimme hatten, ihn abzuwenden“ (EP 302). Als wäre es für die Männer, insbesondere für diejenigen, die den Krieg im Gegensatz zu Frauen an vorderster Front ausbaden mussten, anders gewesen.

Nicht genug damit, Pankhurst will zwar gleiche Rechte wie Männer, aber deswegen keineswegs weibliche Privilegien aufgeben: „Sobald die Frauen Stimmrecht haben, werden sie dafür sorgen, dass Mütter wirklich zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern können.“ (EP 33)

1918 erhielten Frauen, die das 30. Lebensjahr vollendet hatten, das Wahlrecht. Erst zehn Jahre später wurden sie den Männern gleichgestellt. Diese Verzögerung sehen Feministinnen seit jeher als Beweis für Diskriminierung an, und man muss schon in die englischsprachige Wikipedia schauen, um zu verstehen, was tatsächlich dahintersteckte: „Im Jahr 1918 gewährte das Volksvertretungsgesetz allen Männern ab 21 Jahren und Frauen ab 30 Jahren das Wahlrecht. Diese Diskrepanz sollte verhindern, dass Männer aufgrund der vielen Toten des Ersten Weltkriegs in die Minderheit der Wähler gerieten.“

Wobei hinzuzufügen ist, dass dasselbe Gesetz auch besagte, dass Kriegsdienstverweigerer fünf Jahre lang nicht wählen durften.


Gewalt

Eine typische Mythenbildung von Feministinnen besteht in der Behauptung, Frauen würden Verhaltensweisen, die bei Männern scharf kritisiert werden, aus edleren Motiven heraus begehen. Emmeline Pankhurst betont beispielsweise, „dass ich mich weitgehend durch einen Prozess der Einfühlung zu einer Befürworterin einer militanten Vorgehensweise entwickelt habe.“ (EP 12) Ähnlich argumentiert übrigens Jodie Foster im Bonusmaterial der DVD des Films Die Fremde in dir: „Mir gefällt die Idee einer Person, die Selbstjustiz übt, dass sie sich dafür hasst und schämt, aber nicht weiß, wie sie aufhören soll, im Gegensatz zu dem, was man in anderen Filmen sieht: unbarmherzige Killer, die keine Reue zeigen.“ Mit anderen Worten: Wenn eine Frau Gewalt ausübt, ist das etwas anderes als wenn Männer das tun, denn sie hat ja Gefühle.

Brandanschläge auf Briefkästen rechtfertigt Pankhurst mit der Bemerkung: „Wir glaubten, dass wir nur durch eine drastische Aktion die englischen Männer aus der Gleichgültigkeit rütteln konnten, mit der sie das Leid der von ungerechten Gesetzen unterdrückten Frauen betrachteten“ (EP 236), Männer, die zu diesem Zeitpunkt längst zu einem großen Teil auf ihrer Seite standen, wie oben beschrieben. Und weiter: „Wie wir schon betont haben, sind Briefe (...) weniger wertvoll als die Körper und Seelen von Menschen. Dies wurde beim Untergang der Titanic in der ganzen Welt offenbar.“ (EP 236) Keine Reflexion an dieser Stelle, dass gerade der Untergang der Titanic wie keine zweite Katastrophe die Privilegien der Frauen verdeutlicht und gezeigt hat, dass Männer in den Augen der Gesellschaft „weniger wertvoll als die Körper und Seelen“ von Frauen waren.

Pankhurst behauptet, Suffragetten würden nie töten, „denn das eigentlich bewegende Motiv ihres Kampfes ist tiefe, achtungsvolle Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben“ (EP 244). Und: „Die Wahlrechtlerinnen sind allenfalls mit ihrem eigenen Leben leichtfertig umgegangen, nie mit dem Leben anderer. (...) Das überlassen wir den Männern in ihrer Kriegführung. Das ist nicht die Methode der Frauen.“ (EP 233) Und damit es auch unmissverständlich in die Köpfe der Leser gehämmert wird: „Der Kampf der Männer hat in allen Jahrhunderten die Welt mit Blut getränkt.“ (EP 315) Das Projizieren von eigenen Schattenseiten hat im Feminismus eine lange Tradition.

Die Realität sah nämlich anders aus: „Die Suffragetten in Großbritannien und Irland organisierten zwischen 1912 und 1914 eine Bombenanschlags- und Brandstiftungskampagne. Die Kampagne wurde von der Women's Social and Political Union (WSPU) initiiert und war Teil ihrer umfassenden Kampagne für das Frauenwahlrecht. Die Kampagne, die von WSPU-Schlüsselfiguren wie Emmeline Pankhurst angeführt wurde, richtete sich gegen die Infrastruktur, die Regierung, die Kirchen und die breite Öffentlichkeit und sah den Einsatz von improvisierten Sprengsätzen, Brandstiftung, Briefbomben, Attentatsversuchen und anderen Formen direkter Aktionen und Gewalt vor. Mindestens 5 Menschen wurden bei diesen Angriffen getötet (darunter eine Suffragette), und mindestens 24 wurden verletzt (darunter zwei Suffragetten). Am 19. Februar verübten Suffragetten einen Bombenanschlag auf das Haus von Lloyd George, wobei zwei Bomben von Emily Davison gelegt wurden. Nur eine der Bomben funktionierte, aber das Gebäude wurde schwer beschädigt, obwohl niemand verletzt wurde. Die Explosion der Bombe ereignete sich kurz vor der Ankunft von Arbeitern im Haus, und die grobe Art des Zeitzünders – eine Kerze – bedeutete, dass die Wahrscheinlichkeit hoch war, dass die Bombe explodierte, während die Männer anwesend waren. Die WSPU-Führerin Emmeline Pankhurst wurde in der Folgezeit wegen der Planung des Anschlags auf das Haus von Lloyd George verhaftet und später zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.“


Doppelmoral

Vielleicht der widerlichste Aspekt der Pankhurst’schen Doppelmoral ist die Selbstverständlichkeit, mit der sie jede noch so kleine Schwierigkeit beklagt, der sich Frauen gegenübersehen, während sie das Leben von Männern bedenkenlos zu opfern bereit ist, indem sie sich dem Orden der Weißen Feder anschloss, jenem Orden, der Männer, die nicht im Weltkrieg kämpfen wollten, durch das Anstecken einer weißen Feder beschämten und der allgemeinen Verachtung anheim gaben. Ihre Biografin June Puris versucht, Pankhurst in diesem Punkt weißzuwaschen, indem sie behauptet, keinen Beleg dafür gefunden zu haben, dass Pankhurst selbst weiße Federn verteilt hätte. (JP 271 und 400, Anm. 21)

Das ist nicht nur Haarspalterei, sondern auch wenig wahrscheinlich, so vehement, wie sich Pankhurst in dieser Frage engagiert hat: „Frauen haben das Recht, Männer zu fragen: ‚Wirst du dein Vaterland verteidigen und dein Versprechen gegenüber Frauen einlösen?’ Männer haben Frauen versprochen, (...) sie vor allen Gefahren und Schwierigkeiten des Lebens zu beschützen. (...) Das Mindeste, was Männer tun können, ist, dass jeder Mann im kriegsfähigen Alter sich darauf vorbereitet, (...) die Mütter, Ehefrauen und Töchter Großbritanniens zu retten.“

Nicht minder widerlich sind die verharmlosenden Formulierungen, mit denen June Purvis über das millionenfache Verrecken von Männern in den Schützengräben hinweggeht: „Gleichzeitig trug sie [Emmeline Pankhurst] aber auch dazu bei, die traditionellen Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu verstärken, da sie auf einer Reihe von Kundgebungen sprach, um Männer zu ermutigen, sich als Soldaten an der Kriegsfront zu melden." (JP 269, ähnlich 271) Oder an einer anderen Stelle: „Sie ließ keine Gelegenheit aus, sein [Premierminister Asquiths] Versäumnis zu kritisieren, Frauen für Männerberufe zu mobilisieren, damit die Männer an die Kriegsfront gehen und die schweren Verluste wiedergutmachen können, die sie erlitten haben." (JP 272)

Die typisch feministische Doppelmoral gipfelt in dem Satz: „Ab den 1880er Jahren wurde die Forderung der Feministinnen nach einem einheitlichen moralischen Standard für Männer und Frauen gleichermaßen zum zentralen Thema der Frauenbewegung." (JP 206) Allerdings nur da, wo es Vorteile zu erlangen galt. Der Einsatz des eigenen Lebens auf den Schlachtfeldern der Welt blieb wie eh und je Männern vorbehalten.



Quellen:
Emmeline Pankhurst: Suffragette. Die Geschichte meines Lebens (Steidl, Göttingen  2016) [EP]
June Purvis: Emmeline Pankhurst (Routledge, London & New York, 2002) (JP)

* Dietrich Mühlberg: Proletariat. Kultur und Lebensweise im 19. Jahrhundert (Edition Leipzig 1986), S. 70-71
** Rudolf Beck & Konrad Schröder (Hg.): Handbuch der britischen Kulturgeschichte (Fink, München 2006), S. 276




7 Kommentare:

  1. Danke für diesen tollen Artikel, Gunnar!

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    1. :-)

      (Keine Ahnung, warum das blöde System mich nicht mehr automatisch als "Gunnar" kennzeichnet, sondern nur noch als "Anonym" ...)

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  2. Vielen Dank, sehr wertvoller Artikel.

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  3. "Die ganze Radikalität der bejubelten Emmiline Pankhurst beschreibt das PM-Magazin am Ende:

    1917 gründete Emmeline Pankhurst eine neue Partei, die »Women’s Party«, die feministische Programmpunkte mit faschistischen wie »Rassereinheit« verband. Was sie dazu bewegt hatte, ist nicht bekannt. Ihre Autobiografie endet vorher. Die Suffragetten bildeten den radikalsten Teil der Frauenbewegung; sie waren Vorbild für Feministinnen auch in Deutschland und den USA."

    http://www.faktum-magazin.de/2014/11/feminismus-emmeline-pankhurst-vom-terror-zur-ikone/

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  4. Danke Gunnar für die gute Zusammenfassung.
    Bezeichnend wie die Geschichtsschreibung einseitig zugunsten der Femis umgeschrieben wurde.

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Vielen Dank für deinen Kommentar. Sobald ich ihn gelesen und geprüft habe, schalte ich ihn frei.
Viele Grüße
Gunnar