Was junge Menschen zumeist
auszeichnet, ist ihr Idealismus. Sie sehen eine Welt, in der es ungerecht
zugeht, und möchten es besser machen. Hinzu kommt, dass sie die Kraft und
Energie haben, diese Aufgabe auch anzupacken. Naturgemäß sind sie in der Regel
noch dem Schwarz-weiß-Denken verhaftet (was zugleich einer der Gründe für ihre
Kraft ist) – die Erkenntnis, dass es in der Welt selten so eindeutig zugeht,
kommt ebenso wie die Wertschätzung von Kompromissen erst mit zunehmender
Lebenserfahrung.
Aus diesem Grund werden sie zu
allen Zeiten von den jeweiligen Eliten manipuliert: wegen ihrer Kraft und weil
sie Manipulationen schwerer durchschauen. Weil sie anfälliger sind für Appelle
an ihr Gefühl. Früher wurden sie vor allem dazu missbraucht, die Kriege der Herrschenden
zu führen. Heute ist das nicht anders, nur dass die Schlachtfelder gewechselt
haben. Früher wurde ihnen in Deutschland eingeredet, die Juden oder die
Franzosen seien die Urheber aller Ungerechtigkeit und mit aller Kraft zu
bekämpfen. Heute wird ihnen eingeredet, der weiße heterosexuelle Mann sei an
allem schuld, und gegen ihn seien alle Verbrechen erlaubt, ihm gegenüber
brauche man an sich selbst nicht dieselben Maßstäbe anzulegen, die man an ihn
anlegt. Der Hass, den man ihm unterstellt, sei gegen ihn gerechtfertigt.
Die Manipulationen erfolgen seit
Jahrtausenden auf dieselbe Art: Es geht immer um gruppenbezogene
Menschenverachtung, es geht immer um Feindbilder, es geht immer um den
mythischen Kampf des angeblich Guten gegen das angeblich Böse. Und es gehört zu
den Tragödien der Geschichte, dass sich ausgerechnet diejenigen, die voller
Kraft und Idealismus sind, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, dazu
verführen lassen, die Welt mit Hass und Leid zu füllen.
Die Parallelen, die man entdecken
kann, wenn man beispielsweise Studenten aus der Weimarer Republik mit Studenten
von heute vergleicht, sind offensichtlich. Und dass sie damals rechter
Propaganda auf den Leim gingen und sich heute von linker Propaganda verführen
lassen, stellt in meinen Augen keinen Fortschritt dar.
Denken wir an die
antidemokratische Einstellung vieler Studenten, die in den 20er Jahren den
demokratischen Staat bekämpften, und die Antideutschen, zumeist junge Menschen,
die heute dasselbe versuchen. Oder an die Studie, die für die USA herausfand,
dass 40 Prozent der Millennials bestimmte Formen der Zensur befürworten, und an
die deutsche Studie, die herausfand, dass immer mehr Menschen hierzulande
staatliche Eingriffe in Ordnung finden.
Denken wir daran, dass unliebsame
Professoren von Studenten angegriffen und mit Hetzkampagnen verfolgt wurden und
werden. In der Weimarer Republik waren das vor allem Theodor Lessing, Georg
Friedrich Nicolai und Emil Julius Gumbel, heute ergeht es Herfried Münkler und
Jörg Baberowski ähnlich.
Denken wir daran, dass sich
damals völkische Studentengruppen „das Recht der Alleinvertretung aller
Studenten anmaßen“ (Vossische Zeitung
vom 22.12.1929, S. 16), und an die AStAs oder andere organisierte Studenten,
die heute selbstherrlich die Geschicke ihrer Universität lenken und dabei
bestimmen wollen, wer bei ihnen reden darf oder welche Bilder erlaubt sind.
Denken wir an die Unterstützung,
die der Terror radikaler Studenten von höherer Stelle erfuhr (Berliner Tageblatt vom 13.11.1929,
Morgenausgabe, S. 4: „... so ist mitschuldig daran das duldende oder
sympathisierende Verhalten von Professoren und Universitätsbehörden“), und
vergleichen es mit der Erkenntnis, dass sich auch heute kaum jemand den
Extremisten in den Weg stellt, sondern sie sogar noch in ihrem
antidemokratischen Verhalten bestärkt, wenn beispielsweise die Berliner
Wissenschaftssenatorin das Studentenwerk in Studierendenwerk umbenennt, weil
sich unter anderem der AStA dies gewünscht habe, wenn die Leitung der Uni
Kassel willig der Beschwerde des AStA folgt und den Evolutionsbiologen
Kutschera wegen seiner Ausführungen zur Gender-Ideologie rügt, wenn die Leitung
der Alice-Salomon-Hochschule dem Druck des AStA weicht und ein angeblich
anstößiges Gedicht von der Hauswand entfernt oder wenn der Senat der Universität
Potsdam das generische Maskulinum durch die weibliche Form ersetzt, weil seine
Mitglieder Angst vor feministischem Terror haben.
Denken wir zudem einerseits an
die von Studenten erfundenen, organisierten und durchgeführten Verbrennungen
unliebsamer Bücher während der NS-Diktatur und andererseits an die Tatsache,
dass geschichtsvergessene Studenten von heute unliebsame Bücher wie die von
Kant oder Hegel aus Unterricht und Bibliotheken verbannt wissen wollen.
Und in der Motivation einiger
junger Männer, der SA beizutreten, wie sie Daniel Siemens in seinem Buch über
Horst Wessel beschreibt (S.95-97), sehe ich Parallelen zu Gesinnungskriegern
etwa in der Antifa: „Die SA entwickelte sich für Wessel und seine Männer zu
einem sozialen Netzwerk, das Züge einer Ersatzfamilie annehmen konnte und in
dem die Ausübung von Gewalt nicht nur Mittel zum politischen Zweck, sondern vor
allem gemeinschaftsstiftende Praxis war. (...) Die Inszenierung einer
angegriffenen Gemeinschaft weniger Auserwählter ließ die SA-Gewalt in den Augen
ihrer Anhänger als Verteidigungshandeln erscheinen. (...) Wichtiger als das
ideologische Programm der NSDAP war der Umstand, dass der Aktionismus innerhalb
der SA den jungen Männern eine Kompensation für ihren vielfach sinnentleerten
Alltag bot.“
Intoleranz, Demagogie und der
Versuch, Andersdenkende mundtot zu machen ist das derzeitige Klima an den
Universitäten. Noam Chomsky weist darauf hin, dass es sich dabei um Sozialisierungsinstitute
handelt, die Konformität und Gehorsam belohnen (Jens Wernicke: Lügen die Medien?, S. 110-111). Der
Medienwissenschaftler Norbert Bolz formuliert es drastischer: „Man darf nicht vergessen, dass
Universitäten Biotope der Weltfremdheit sind. Nirgendwo kann man intellektuell
so losgelöst von der Wirklichkeit argumentieren.“
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Gunnar