Hin und wieder wird in Artikeln darauf verwiesen,
dass die Methoden der feministischen Ideologie eine fatale Nähe zum Geschehen
in George Orwells „1984“* aufweisen. Auch ich habe hin und wieder eine
diesbezügliche Bemerkung gemacht. Damit jedoch eine solche Behauptung nicht
bloß Schlagwort bleibt, habe ich mir das Buch noch einmal vorgenommen und
konkret auf Gemeinsamkeiten zwischen der von Orwell beschriebenen Diktatur und
dem, was wir hier und heute erleben, abgeklopft.
Ins Auge fällt sogleich die Anti-Sex-Liga
und deren Versuche, die Macht der Sexualität dadurch zu brechen, dass man sie
mit negativen Assoziationen auflädt: Der Geschlechtsverkehr sollte als
kleiner, etwas ekliger Eingriff betrachtet werden, einem Klistier vergleichbar.
(...) Die Partei versuchte, den Geschlechtstrieb abzutöten oder, wenn er sich
nicht abtöten ließ, ihn doch wenigstens zu verformen und in den Schmutz zu
ziehen. (...) Und was die Frauen anging, da fruchteten die Bemühungen der
Partei weitgehend. (Seite 93) Nahtlos könnte man an dieser Stelle Aussagen
etlicher Feministinnen einfügen, wie zum Beispiel die von Marilyn French: „Alle
Männer sind Vergewaltiger, und das ist alles, was sie sind.“ Oder von Andrea
Dworkin: „In der Praxis ist Ficken ein Akt der Besitznahme – gleichzeitig ein
Akt des Besitzens, Nehmens, Gewaltantuns. Es ist Eroberung.“ Oder von Catharine
MacKinnon: „Jeder Sex (...) ist ein Akt der Gewalt, verübt gegen eine Frau.“
Wobei die englischsprachige Wikipedia darauf besteht, dass letzteres Zitat
falsch sei, MacKinnon habe lediglich gesagt, dass Beischlaf und Vergewaltigung
schwer voneinander zu unterscheiden seien und der wesentliche Unterschied darin
bestehe, dass Beischlaf so oft vorkomme, dass niemand mehr etwas Schlimmes
darin sähe.
Hass und Kriegspropaganda
Wenn in „1984“ von einem Untergrund-Verschwörernetz
die Rede ist, das die Regierung zu sabotieren versucht, von einem konterrevolutionären
Volksfeind, dessen Thesen lächerlich gemacht und als Schwachsinn hingestellt
werden und der doch zugleich als ultimative Gefahr beschworen wird – erinnert
einen das nicht unwillkürlich an die feministische Verschwörungstheorie, nach
der eine rückwärtsgewandte Männerbewegung den Backlash versucht?
Schön auch die Beschreibung des staatlich
verordneten Zwei-Minuten-Hasses gegen diesen Feind: In der zweiten
Minute steigerte sich der Hass zur Raserei. Die Leute sprangen von ihren
Plätzen auf und brüllten mit überkippenden Stimmen, um das wahnsinnig machende
Geblöke, das vom Schirm kam, zu übertönen. Die kleine rotblonde Frau war
knallrot angelaufen und schnappte mit dem Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen.
(Seite 28-33) Erinnert diese Passage nicht an die Empörungsstürme gegen
Männerrechtler? Wer schon mal Videos gesehen hat von hysterischen Social
Justice Warriors, die unliebsame Veranstaltungen sprengen, wird Orwells
Beschreibung wiedererkennen.
Der augenblickliche Feind repräsentierte stets die
Inkarnation des Bösen, und daraus folgte, dass jede Übereinkunft mit ihm, ob in
der Vergangenheit oder in der Zukunft, ausgeschlossen war. (Seite 55) Deswegen
stellt die SPD klar, dass die Männerbewegung nicht gehört werden wird, solange
Sozialdemokraten an der Macht sind, und Thomas Gesterkamp fordert, auf keinen
Fall mit der Männerbewegung zu reden.
Mit der Partei des Großen Bruders beschreibt Orwell
eine Bewegung, die eine Welt anstrebt, die auf Hass und Angst gegründet ist: Sehen
Sie jetzt allmählich, was für eine Art Welt wir erschaffen? (...) Eine Welt der
Furcht, des Verrats. (...) Die alten Zivilisationen behaupteten, auf Liebe und
Gerechtigkeit gegründet zu sein. Unsere ist auf Hass gegründet. In unserer Welt
wird es keine Gefühle geben außer Angst, Wut, Triumph und Selbsterniedrigung.
Alles andere werden wir zerstören – alles. (Seite 330) Nichts anderes ist
Manuela Schwesigs Hasskampagne #schweigenbrechen, mit der sie die männliche
Hälfte der Bevölkerung pauschal zu Gewalttätern erklärt. Nichts anderes ist der
Versuch, den Menschen einzureden, wir würden in einer Vergewaltigungskultur
leben, eine These, die Frauen Angst vor Männern machen soll. Ist es da ein
Wunder, dass eine übergeschnappte Anne Wizorek davon spricht (bei Minute
40:00), für viele Frauen sei es „extrem schlimm, einfach schon auf die Straße
zu gehen“?
Die Folge einer solchen Politik muss zwangsläufig
Misstrauen sein, und dieses Misstrauen ist kein bedauerlicher Nebeneffekt,
sondern Teil der Strategie des Teile-und-herrsche: Wir haben die Bande
zwischen Kind und Eltern, zwischen Mensch und Mensch, zwischen Mann und Frau
durchtrennt. Keiner traut mehr einer Ehefrau, einem Kind oder einem Freund.
Doch in Zukunft wird es keine Ehefrauen und Freunde mehr geben. Die Kinder
werden ihren Müttern gleich bei der Geburt weggenommen werden. (...) Es wird
nur noch die Loyalität gegenüber der Partei geben und sonst keine. (Seite
330) So will es die ständige Väterdämonisierung, so will es Anita Heiliger mit
ihrer Dissertation „Väter wollen herrschen, und Mütter wollen immer nur das
Beste. Alleinerziehen als Befreiung“, so will es die Herabwürdigung von
Müttern, die zu Hause bei ihren Kindern bleiben, wenn etwa Simone de Beauvoir
davon spricht, dass sie Frauen nicht die Wahl lassen will zwischen
Berufstätigkeit und Mutterdasein. So will es die Strategie der „gendergerechten
Sprache“, die das Trennende hervorhebt und das Verbindende auslöscht, eine
Strategie, die Menschen immer und überall in zwei Geschlechter aufteilt
(„Lehrerinnen und Lehrer“), während es keine gemeinsame übergeordnete
Gruppenbezeichnung mehr gibt. So will es das Apartheidsprinzip der „kulturellen
Aneignung“ und das Konzept der besonderen Räume für den weiblichen Teil der
Bevölkerung mit Frauenbibliotheken, Frauenbuchläden, Frauenschwimmzeiten und
Mädchenflohmärkten.
Sprache und Denken
Die Parteiparole Wer die Vergangenheit
kontrolliert, kontrolliert die Zukunft, wer die Gegenwart kontrolliert,
kontrolliert die Vergangenheit (Seite 55) trifft natürlich auf jede
totalitäre Bewegung zu. Im Falle des Feminismus’ werden beispielsweise
Suffragetten idealisiert oder es wird die Entstehung des Grundgesetzes auf eine
Weise interpretiert, die man nur als Geschichtsklitterung bezeichnen kann, und
im historischen Kontext so getan, als seien Männer von Natur aus kriegslüstern
und Frauen friedfertig.
Bei Orwell wacht das Ministerium für Wahrheit
darüber, dass jede von der offiziellen Linie abweichende Information der
Staatsdoktrin angepasst wird. Unwillkürlich kommt einem dabei das
„Abwehrzentrum gegen Desinformation“ in den Sinn, das selbst der Bundesvorsitzende
des Deutsche Journalisten-Verbands mit den Worten kritisiert: „Es darf doch
nicht eine Behörde darüber entscheiden, was wahr ist und was nicht.“
Ein weiterer Baustein im Orwell’schen Universum ist
die Realitätskontrolle, in Neusprech: Doppeldenk, also die
Fähigkeit, gleichzeitig zwei einander ausschließende Ansichten zu vertreten,
zu wissen, dass sie widersprüchlich waren, und an beide zu glauben. (Seite
55-56) Das ist Genderideologie in Reinkultur: Geschlechter sind sozial
konstruiert und existieren nicht, aber Frauen sind immer und überall
benachteiligt und müssen privilegiert werden.
Zu diesem Komplex gehört die Gedankenpolizei,
die Gedankendelikte verfolgt: Die geringste Kleinigkeit konnte einen
verraten. Eine nervöse Gesichtszuckung, ein unbewusst-ängstlicher Blick, die
Angewohnheit, vor sich hin zu murmeln – alles, was auch nur den Hauch von
Abweichung oder Heimlichkeit trug. Allein schon ein ungehöriger
Gesichtsausdruck (zum Beispiel bei einer Siegesmeldung eine ungläubige Miene zu
machen) war ein strafbares Delikt. (Seite 88) Da kommt einem natürlich das
„Gender Watch Protokoll“ der Hochschülerschaft Salzburg in den Sinn, in dem
festgehalten wird, wenn jemand es wagt, über Genderthemen die Augen zu
verdrehen.
Neusprech ist eine Sprache, die alles Sinnliche und
Differenzierte ausschließt: Soweit es sich einrichten ließ, wurde alles, was
irgendeine politische Bedeutung hatte oder haben konnte, (...) zur gewohnten
Form verkürzt, das heißt in ein einziges, leicht aussprechbares Wort mit
möglichst geringer Zahl von Silben. (...) Man hatte erkannt, dass durch solche
Abkürzungen die Bedeutung einer Bezeichnung eingeengt und unmerklich verändert
wurde, indem man die meisten der ihr sonst anhaftenden Assoziationen
ausschloss. (Seite 379-380) Die Verschiedenartigkeit von Menschen, „deren
Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt
zugewiesen (sic!) wurde“, auf den Begriff „cis“ zu verkürzen, ist so eine
Sprachmanipulation.
Bei Orwell werden Wörter ausgemerzt, um bestimmte
Gedanken unmöglich zu machen: Du erfasst die Schönheit einfach nicht, die in
der Vernichtung von Wörtern liegt. (...) Begreifst du denn nicht, dass
Neusprech nur ein Ziel hat, nämlich den Gedankenspielraum einzuengen? (Seite
76) So weit, dass Wörter aus dem Wortschatz entfernt werden, sind wir zwar noch
nicht (wobei man die Versuche, „Vater“ und „Mutter“ durch „Elter 1“ und „Elter
2“ zu ersetzen, durchaus so interpretieren kann). Aber die Taktik, bestimmte
Begriffe zu diskreditieren, läuft natürlich auf dasselbe hinaus. Wenn die Emma
vorschlägt, „einvernehmlichen Sex“ und „Unschuldsvermutung“ als Unwort des
Jahres zu deklarieren, ist genau diese Orwell’sche Gedankenkontrolle das Ziel.
Und natürlich geht es bei all diesen Elementen
darum, dass der Einzelne sich der Ideologie unterwirft: Sie sind hier, weil
es Ihnen an Demut, an Selbstdisziplin mangelt. Sie wollen den Akt der
Unterwerfung nicht vollziehen, der der Preis für geistige Gesundheit ist. (...)
Sie halten die Realität für etwas Objektives, Äußeres, das seinen eigenen
Bestand hat. (...) Aber ich sage Ihnen, Winston, dass Realität nichts Äußeres
ist. Die Realität existiert im menschlichen Geist und sonst nirgends. Nicht im
Geist des einzelnen, der irren kann und ohnehin bald untergeht: nur im Geist
der Partei, die kollektiv und unsterblich ist. Was immer die Partei für
Wahrheit erachtet, ist Wahrheit. (Seite 309-310) Jeder, der schon
einmal mit der Antifa oder ähnlichen Social Justice Warriors zu tun hatte, kann
davon ein Lied singen.
Die Unterdrückung unliebsamer Meinungen
In diesem Zusammenhang mindestens ebenso
aufschlussreich ist ein Essay von George Orwell aus dem Jahre 1943, der als
Nachwort an „Farm der Tiere“** angehängt ist und den Titel „Die Pressefreiheit“
trägt. Orwell beklagt darin die Tatsache, dass es damals aufgrund der
Bündnissituation so gut wie ausgeschlossen war, die Sowjetunion zu kritisieren.
Wenn man vom konkreten Gegenstand der Zensur absieht, lässt sich auch dieser
Text in vielen Punkten eins zu eins auf die heutige Situation übertragen.
Wenn sich Verleger und Herausgeber bemühen,
bestimmte Themen ungedruckt zu lassen, dann nicht aus Angst vor
strafrechtlicher Verfolgung, sondern aus Angst vor der öffentlichen Meinung.
Hierzulande ist intellektuelle Feigheit der schlimmste Feind, dem ein
Schriftsteller oder Journalist die Stirn bieten muss. (...) Der dunkle Punkt
der literarischen Zensur in England ist, dass sie weitgehend freiwillig
geschieht. Unpopuläre Ideen lassen sich verschweigen und unbequeme Tatsachen
verschleiern, ohne dass es hierzu eines amtlichen Verbots bedarf. (...) Es ist
nicht eben verboten, dies oder jenes zu sagen, aber es ist „unschicklich“, es
zu sagen, so wie es zu viktorianischer Zeit „unschicklich“ war, in Gegenwart
einer Lady Hosen zu erwähnen. Jeder, der die herrschende Orthodoxie anzweifelt,
sieht sich mit verblüffender Wirksamkeit zum Schweigen gebracht. Eine wirklich
unzeitgemäße Meinung bekommt fast nie eine faire Anhörung, weder in der
Volkspresse noch in den Intellektuellenmagazinen. (Seite 233-235) Klingt
das nicht ganz wie die Weigerung der Herrschaftselite, sich mit den Argumenten
der Männerbewegung auseinanderzusetzen?
Das Beunruhigende ist, dass man (...) keine
intellektuelle Kritik, ja in vielen Fällen nicht einmal schlichte Ehrlichkeit
von liberalen Autoren und Journalisten erwarten kann, die keinem direkten Druck
ausgesetzt sind, ihre Meinungen zu verfälschen. (Seite 240)
Öffentlich und privat wurde man gewarnt, (...) was
man sage, stimme möglicherweise, doch es sei „inopportun“ und „spiele in die Hände“
dieses oder jenes reaktionären Interesses. (Seite 241) Mit solcherart perverser Logik
wurde bei den Grünen schon vor Jahrzehnten sexuelle Gewalt gegen Jungen
vertuscht, um den Opferstatus Frau nicht zu gefährden.
Auch manche der Argumente gegen die
Meinungsfreiheit kommen einem seltsam bekannt vor. So herrscht jetzt eine
weitverbreitete Tendenz zu argumentieren, dass man Demokratie nur mit
totalitären Methoden verteidigen kann. Wenn man die Demokratie liebt, so läuft
die Argumentation, dann ist jedes Mittel recht, um ihre Feinde zu vernichten.
(...) Anders gesagt, zur Verteidigung der Demokratie gehört die Zerstörung
aller gedanklicher Unabhängigkeit. (Seite 244-245)
Mit derartigen Argumenten, so Orwell weiter, würden
selbst die übelsten Auswüchse gegenüber Andersdenkenden gerechtfertigt werden,
denn dadurch, dass sie ketzerische Meinungen vertraten, schadeten sie dem
Regime eben „objektiv“, und deshalb war es ganz in Ordnung, sie nicht einfach
nur zu massakrieren, sondern auch noch durch falsche Beschuldigungen zu
diskreditieren. (Seite 244-245) Margarete Stokowski weiß sich daher in
guter Gesellschaft, wenn sie darüber sinniert, Falschbeschuldigungen als
politisches Mittel einzusetzen.
Fazit
Die Methoden der Radikalfeministinnen und ihrer
Helferindustrie ähneln den Methoden der von Orwell beschriebenen totalitären
Herrschaftsstrukturen mehr, als sie wahrhaben wollen. Eine Verharmlosung ist
deshalb nicht angebracht. Denn, um es mit Orwell zu sagen: Falls Freiheit
überhaupt irgend etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten
das zu sagen, was sie nicht hören wollen. (Seite 251)
Quellen:
*
George Orwell: 1984 (Wilhelm Heyne
Verlag, München 2011, übersetzt von Michael Walter)
**
George Orwell: Farm der Tiere
(Diogenes Verlag, Zürich 2005, ebenfalls übersetzt von Michael Walter)
"1984" ist eines der wichtigsten und furchteinflößendsten Bücher das je geschrieben wurde.
AntwortenLöschenZusammen mit "Animal Farm" macht es Orwell zu einem modernen Jesaiah.