Im Aquarium

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Mittwoch, 24. März 2021

Die Krise der Demokratie ist nicht neu

 

Es gäbe allerdings mehr Anlass zur Hoffnung, wenn unsere Damen und Herren Politiker nicht so geschichtsvergessen wären.

 

 

Gerade ist mein aktueller Krimi aus der Weimarer Republik erschienen. Er spielt 1930 und beschäftigt sich unter anderem mit Reichspräsident Hindenburg, der damals mit Reichskanzler Brüning durch exzessive Anwendung des Artikels 48 der Verfassung (Notverordnung) die Demokratie erdolcht hat, um gegen den Widerstand des Parlaments Steuergesetze durchzubringen. Im Berliner Tageblatt vom 18.7.1930 (Abendausgabe, Seite 1) konnte man lesen, dass es ein zweifelhaftes Verfahren sei, „die Bewilligung von Maßnahmen ausgesprochen zweiten Ranges mit einer Not ersten Ranges zu begründen“.

 

Dieses Vorgehen wiederholt sich in diesen Tagen, wenn auch nicht durch den Bundespräsidenten, dessen Macht aufgrund der Erfahrungen aus der Weimarer Republik bei der Erarbeitung des Grundgesetzes beschränkt wurde. Vermutlich haben sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes nicht vorstellen können, dass einmal eine Bundeskanzlerin eine Not zweiten Ranges – eine Pandemie, die ich keineswegs für harmlos halte, die aber von einem nationalen Notstand aufgrund eines Verteidigungsfalls weit entfernt ist – vorschiebt, um wie einst Hindenburg die Kontrollfunktion des Parlaments auszuschalten und mit einer kleinen Clique Notstandsgesetze zu verabschieden.

 

Parallel dazu wird von staatlicher Seite die Erosion der Demokratie dadurch vorangetrieben, dass die politische Elite ein Gesetz nach dem anderen durchwinkt, das es ermöglicht, nicht genehme Meinungen zu verfolgen (NetzDG, Telekommunikationsgesetz, Medienstaatsvertrag, Gesetz gegen Hasskriminalität, Demokratiefördergesetz etc.), mit der absurden Begründung, die Rettung von Demokratie und Meinungsfreiheit erfordere dies.

 

Und wieder kann ich nur auf die Weimarer Republik verweisen, wo wir so etwas schon einmal hatten. Sebastian Haffner schreibt in Geschichte eines Deutschen: „Manches von dem, was später zu Hitlers effektvollsten Folterinstrumenten gehören sollte, wurde von Brüning eingeführt (…). Dabei tat er das alles, paradox genug, im tiefsten Grunde zur Verteidigung der Republik. Aber die Republikaner begannen sich begreiflicherweise allmählich zu fragen, was ihnen nach alledem eigentlich noch zu verteidigen blieb. Meines Wissens ist das Brüningregime die erste Studie und, sozusagen, das Modell gewesen zu einer Regierungsart, die seither in vielen Ländern Europas Nachahmung gefunden hat: die Semi-Diktatur im Namen der Demokratie und zur Abwehr der echten Diktatur.“

 

(erhältlich u. a. bei BoD

oder Amazon)


 

 

2 Kommentare:

  1. Oliver Wilkening24. März 2021 um 18:42

    An Merkels Lauterkeit, dass sie das alles tut, um die Demokratie zu bewahren, zweifle ich allerdings. Sie versucht die Demokratie ganz bewusst zu zerstören, allerdings cui bono?

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    1. Daran zweifle ich bei Brüning ebenfalls. Ist halt Haffners Meinung gewesen, damals ...

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Vielen Dank für deinen Kommentar. Sobald ich ihn gelesen und geprüft habe, schalte ich ihn frei.
Viele Grüße
Gunnar