Im Aquarium

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Montag, 13. August 2018

Sieben Wege, die Diskussion zu verweigern

Da Feministen über politische und mediale Macht verfügen und somit keinen Grund haben, sich einer ehrlichen Diskussion zu stellen, da sie darüber hinaus auch nicht gerade an einem Übermaß an Selbstkritik leiden und sich daher selten selbst hinterfragen, greifen sie bei Auseinandersetzungen auf ein begrenztes Strategiearsenal zur Abwehr unliebsamer Ansichten zurück. Die folgende Zusammenstellung kann als Entscheidungshilfe verstanden werden: Wer auch nur eines der hier versammelten rhetorischen Mittel nutzt, hat kein Interesse an einer inhaltlichen Auseinandersetzung und lohnt daher nicht die Diskussion.

Etikettierungen. Immer noch das bevorzugte Mittel der Wahl. Ob die Heinrich-Böll-Stiftung („Analyse rechter Denk- und Handlungsmuster“) oder Antje Schrupp („Das Bekenntnis zum Antifeminismus funktioniert weltweit als Bindeglied für reaktionäre Kräfte“), irgendwelche Facebook-Hanseln („In Nürnberg unternimmt die homophobe und (mindestens) rechtskonservative Maskulisten-/Antifeministen-Szene erneut den Versuch, einen ‚Gender-Kongress’ stattfinden zu lassen“), Niedersachsens Justizministerin Antje Niwisch-Lennartz („Ziel rechtspopulistischer Strömungen ist ein [sic] Groll gegenüber Gleichstellungspolitik zu verbreiten und damit hart errungene Grundsätze der Gleichberechtigung zunichte zu machen“) oder das Neue Deutschland („Einstiegsdroge Frauenhass“) – wer den Feminismus kritisiert, ist in den Augen dieser Leute ein Frauenfeind, homophob, rechtsradikal und vertritt eine Vergewaltigungskultur, basta!

Hohn und Beschämung. Wenn Männer nicht funktionieren, wie frau es will, wird auf das reaktionäre Geschlechtermodell zurückgegriffen, dass diese Leute verinnerlicht haben. Danach hat ein Mann gefälligst sein Schicksal klaglos zu ertragen und sich opfern zu lassen, wo immer es der Gesellschaft gefällt. Männer sollen Gefühle zeigen, klar – aber bitte nur solche, die Frauen gefallen. Gefühle spiegeln, wäre der treffendere Ausdruck. Und wenn Männer nicht spuren, werden sie eben mit Sprüchen auf Linie gebracht, die suggerieren, dass sie wehleidig sind, Heulsusen, unsexy. Gern wird dabei das Stilmittel der Übertreibung genutzt: Wer die Metoo-Kampagne kritisiert, sieht Männer „jede Nacht wach gehalten von der Angst, fälschlicherweise eines sexualisierten Übergriffs beschuldigt zu werden.“ Wahnsinnig fortschrittlich!

Psycho- und Pathologisierung. Wer den Feminismus kritisiert, ist in den Augen der Ideologen verunsichert, hat Angst vor starken Frauen und dem Verlust seiner Privilegien. Der wird von ungerechtfertigter Wut angetrieben, denn eine echte Benachteiligung von Männern liegt ja nicht vor, kann es gar nicht geben, bestenfalls eine gefühlte. So einfach kann es sein, sich nicht mit der Wirklichkeit auseinandersetzen zu müssen.

Strohmann-Argumente. Sich aufplustern und Positionen des Feminismuskritikers angreifen, die dieser gar nicht gebracht hat. So wurde schon gegen Warren Farrels Buch „Mythos Männermacht“ polemisiert: „Männer sind durchtriebenen Frauen hilflos ausgeliefert. Sie darf ihm ungestraft einen Fussel von der Hose picken und mit dieser erotischen Attacke ihre Karriere fördern.“ Das Niveau ist heutzutage leider nicht besser geworden: Wer den Feminismus kritisiert, wolle „einen Backlash, der es möglich macht, die Forderung ‚Zurück an den Herd’ nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand zu artikulieren“. Wenn Männer die Metoo-Kampagne kritisieren, gehe es bloß darum, „wie nun Männer flirten sollen“. Wenn Frauen die Metoo-Kampagne kritisieren, sähen sie „die Schuld für die fehlende Gleichstellung bei den Frauen selbst.“ Und so weiter.

Themenhopping (gern dabei wird zu anderen Zeiten, an andere Orte oder zu anderen Kulturen gehüpft). Etwa so: „Dass hierzulande kein Patriarchat herrscht, sieht man schon daran, dass du deinen Männerhass ungehemmt in den Leitmedien ausgießen darfst.“ – „Und was ist mit Trump?“

Umdeutungen. Bevorzugte Methode von Pseudointellektuellen wie Thomas Gesterkamp. Wer den Feminismus kritisiert, ist für jemanden wie ihn per se rechts und rückwärtsgewandt. Wenn sich das nun bei manch einem schlecht belegen lässt, weil jeder seiner Äußerungen das Gegenteil beweist, wird ihm halt einfach unterstellt, dass dies nur der Verschleierung seiner wahren Absichten diene. Alles, was dem eigenen Vorurteil zuwider läuft, wird zur Taktik erklärt*, und schon ist die Welt für schlichte Gemüter wieder in Ordnung.

Falls jemand glaubt, damit die Talsohle intellektueller Verwahrlosung erreicht zu haben, kennt er Andreas Kemper nicht.


Argumentieren wie Kemper

Ein Kollege von mir hat mal den Vorschlag geäußert, in der Wikipedia das Wort „kempern“ einzubringen, was etwa so viel bedeutet wie: „Eine verkrachte Existenz pöbelt ihren gruppenbezogenen Menschenhass heraus“. Falls jemand Lust hat, den Begriff in der Wikipedia zu etablieren: Dieser Artikel hier wäre eine zitierfähige Quelle. (Natürlich wird so ein Eintrag im Handumdrehen gelöscht, aber er würde doch immerhin für Schnappatmung unter den Gesinnungskriegern sorgen und die Manipulateure der Wikipedia eine Weile beschäftigt halten, sodass sie weniger Zeit hätten, totalitäre Ideologinnen zu Lichtgestalten emporzujazzen).

Dieser Andreas Kemper also hat eine noch simplere Methode ersonnen, unliebsame Erkenntnisse abzuwehren: die freie Assoziation, bei der Andersdenkende sinnfrei mit Extremisten, Verschwörungstheoretikern oder Sektierern und deren Positionen in Verbindung gebracht werden. Eine Technik, derer er sich bereits beim Internetpranger „Agent*In“ bedient hat. Ich nenne sie: das Scheißegal-Argument. Er hat das auch mit mir gemacht, wie ich zufällig herausfand. Keine Ahnung, womit ich mir seinen Unmut zugezogen habe, ich vermute, weil ich mal in einem Artikel seine Methoden auf ihn selbst angewandt habe. Demagogen lieben es nicht, ihre eigene Medizin schlucken zu müssen.

Jedenfalls schrieb er über mich auf Twitter: „Gunnar Kunz, ein #Maskulist, ist natürlich auch nicht #antisemitisch“. Was vermutlich Ironie darstellen soll.


Sowohl der von ihm gesetzte Link „Maskulist“ als auch der Link „antisemitisch“ führen lediglich auf Seiten, in denen sich irgendwelche Leute mehr oder weniger sinnvoll zu den jeweiligen Begriffen äußern. Zusammenhang: null. Erkenntnisgewinn: null. Untermauerung seiner These: null.

Der größte Gag aber ist dieser: Als Beispiel für meinen angeblichen Antisemitismus zitiert er einen Absatz aus meinem Artikel „Das feministische Jahr 2016“, in dem ich mich anlässlich der Verleihung des Theodor W. Adorno-Preises kritisch über Judith Butler und ihren Genderwahn äußere. Offenbar ist Butler Jüdin, was ich nicht mal wusste und mir auch gleichgültig ist. Man muss schon ziemlich krank sein, um Menschen auf ihre Religion zu reduzieren, wie Kemper das tut. Aber viel entscheidender: Wenn man nur für zwei Cent recherchiert, erfährt man, dass auch der Zentralrat der Juden die Vergabe des Preises an Butler kritisiert hat, weil damit nämlich „eine bekennende Israelhasserin“ prämiert werde.

Das heißt also: Ausgerechnet dort, wo ich eine israelkritische Person kritisiere und mich, wenn auch aus anderen Gründen, zum gleichen Sachverhalt negativ äußere wie der Zentralrat der Juden, versucht Kemper, mir Antisemitismus unterzujubeln.

Ich glaube nicht, dass es Messmethoden gibt, die so fein justierbar sind, dass sie die Intelligenz von einem wie Kemper nachweisen können.



*In den Medien hat diese Art, Deutungshoheit zu beanspruchen, indem man behauptet, besser als ein Sprecher zu wissen, was er eigentlich gemeint hat, Methode, wie Hans Mathias Kepplinger in seinem lesenswerten Buch Totschweigen und skandalisieren. Was Journalisten über ihre eigenen Fehler denken (Herbert von Halem Verlag, Köln 2017) herausgearbeitet hat.

4 Kommentare:

  1. Sauber zerlegt, Danke!

    Das erinnert mich an das Sprichwort: "Die Wahrheit bindet sich noch die Schuhe zu währende die Lüge bereits den halben Planeten umkreist hat."

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  2. Wie wäre es mit einer Definition des Begriffs "kempern" bei urban Dictionary?

    https://www.urbandictionary.com/add.php

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  3. Gute Analyse - danke hierfür!

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  4. Dr. Bruno Köhler26. Oktober 2018 um 20:28

    Lieber Gunnar,

    danke für den inspirierenden Beitrag. Das könnte man noch gut ausbauen;-)

    Grüße

    Bruno

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Vielen Dank für deinen Kommentar. Sobald ich ihn gelesen und geprüft habe, schalte ich ihn frei.
Viele Grüße
Gunnar