Im Aquarium

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Freitag, 24. November 2017

Gibt es Linksfaschismus?

Vor gut einem Jahr war ich einmal Zeuge, wie die Berliner Antifa versucht hat, in bewährter deutscher Tradition Andersdenkende mundtot zu machen. Als ein verbal attackierter Zuschauer die Gruppe als Linksfaschisten bezeichnete, meinte deren Sprecher, so etwas sei gar nicht möglich, er solle sich mal mit der Geschichte auseinandersetzen. Das möchte ich hier stellvertretend für ihn tun und als jemand, der sich seit siebzehn Jahren mit der Weimarer Republik beschäftigt, herausarbeiten, wo die Parallelen liegen und weshalb ich die Antifa und andere „Gerechtigkeitskrieger“ in der Tat ebenfalls für Faschisten halte. Es kommt nämlich nicht auf die Lippenbekenntnisse an, mit denen jemand seine Taten rechtfertigt, sondern auf die Methoden, derer er sich bedient..


Statt sich inhaltlich mit unterschiedlichen Vorstellungen über die Politik des Landes auseinanderzusetzen, wird lieber Gesinnungskontrolle betrieben. Wer zu Beginn des vorigen Jahrhunderts von sich behauptete, ein Verbrechen aus Patriotismus begangen zu haben, konnte sich einer milden Strafe sicher sein. Wer heute behauptet, für Gleichheit und Weltoffenheit zu stehen, kommt ebenfalls in der Regel ungeschoren davon. Es spielt keine Rolle mehr, was jemand sagt oder tut, sondern nur noch, ob er schon mal jemandem die Hand gegeben hat, dessen Nase einem nicht gefällt, ob man ihm irgendein Wort im Munde umdrehen, ob man ihn in irgendeine Schublade quetschen kann, um sich mit seinen Argumenten nicht auseinandersetzen zu müssen. Medien hätscheln staatlich finanzierte Gewalttäter, solange sie die richtige Gesinnung haben; es wird einfach erklärt, links und Gewalt schließe sich gegenseitig aus und Linksradikalismus sei ein aufgebauschtes Problem, und selbst Antisemitismus ist plötzlich wieder salonfähig.

Systematisch haben die Faschisten während der Weimarer Republik versucht, unliebsame Aufführungen von Filmen und Theaterstücken zu verhindern, etwa die Verfilmung von Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“. Heutzutage bekämpfen die selbstgerechten Sittenwächter selbst Adventsgedichte, wenn sie von der falschen Person vorgetragen werden, und offene Diskussionen sowieso.

Damals wie heute wird als Kampfmittel das Konzept der Stigmatisierung und Ausgrenzung unliebsamer Menschen genutzt und versucht, deren Lebensgrundlage zu zerstören. Zwischen „Kauft nicht bei Juden“, „Bietet Feminismuskritikern keine Plattform“ und Denunziationen beim Arbeitgeber oder sonstiger Geschäftsschädigung aus ideologischen Gründen besteht kein wesentlicher Unterschied.

In der Weimarer Republik organisierten Studenten der Technischen Hochschule Hannover ein Kesseltreiben gegen Professor Theodor Lessing, der Kritik an Hindenburg geäußert hatte; sie boykottierten seine Vorlesungen, beschimpften und bedrohten ihn, trieben ihn stundenlang mit Knüppeln bewaffnet durch die Stadt und erreichten letzten Endes, dass er seinen Hut nahm. Ähnlich erging es in Berlin dem Mediziner Georg Friedrich Nicolai wegen seiner Schriften gegen den Krieg und seiner Kritik am Sozialdarwinismus und in Heidelberg dem Mathematiker Emil Julius Gumbel, der nachgewiesen hatte, dass die Weimarer Justiz auf dem rechten Auge blind war. Mit umgekehrtem Vorzeichen versuchen heutzutage Studenten etwa an der Humboldt-Uni Berlin Professoren einzuschüchtern, weil in deren Vorlesungen unliebsame Autoren behandelt werden. Und während in der Weimarer Republik Einsteins Arbeiten als „jüdische Physik“ gebrandmarkt wurden, werden  heute Erkenntnisse, die nicht ins ideologische Weltbild passen, als „männliche Wissenschaft“ denunziert

Zu Recht nennen Historiker die Weimarer Republik eine „Republik ohne Republikaner“, weil nur wenige Menschen bereit waren, die Werte der Demokratie zu verteidigen. Nicht anders heute, wo offen die Abschaffung unserer Errungenschaften wie etwa der Aufklärung und Meinungsfreiheit propagiert, Kultur ohne Not preisgegeben und Demokratie als überflüssiger Ballast angesehen wird.

Nationalsozialisten unterschieden zwischen lebenswertem und –unwertem Leben, zwischen Ariern und Untermenschen. Auch diejenigen, die heute behaupten, für Gerechtigkeit und Vielfalt einzutreten, tun das, indem sie eine neue Apartheid einführen, mit ausgesuchter Verachtung über Männer herziehen und sie mit Tieren gleichsetzen oder als Menschen zweiter Klasse behandeln, wenn sie ihnen nicht gleich das Lebensrecht absprechen.

Damals wie heute verbreiten Faschisten von rechts wie von links ein Klima aus Terror und Angst, um Andersdenkende einzuschüchtern. Und eine der widerlichsten Eigenschaften dieser feigen Opportunisten ist es, dass sie hemmungslos ihrem Hass, ihrer Menschenverachtung und ihrer Lust an der Gewalt freien Lauf lassen, sobald sie sich sicher sind, dass sie nichts zu befürchten haben, weil ihre Verbrechen von staatlicher Seite toleriert werden.

Bedauerlicherweise kommt zu all diesen Parallelen noch hinzu, dass die Mehrheit der Menschen hierzulande blind ist für die zunehmende Gefahr. Für sie sind die offensichtlichen Schritte in Richtung Totalitarismus lediglich Auswüchse einer an sich richtigen Sache, sie interessieren sich nicht wirklich für das, was vor ihren Augen geschieht. Und es ist diese Tatsache, die mich das Schlimmste für die Zukunft befürchten lässt.

4 Kommentare:

  1. Es ist auch erschreckend wie Frauen zur Meinungsfreiheit stehen:
    https://www.nas.org/articles/from_suffrage_to_suppressing_speech_the_increasing_hostility_of_women_towar
    (über Genderama)

    Addendum: Interessantes Blog, vielen Dank für die Arbeit daran!

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  2. " der sich seit siebzehn Jahren mit der Weimarer Republik beschäftigt" Darf ich dann mal um die Meinung zur Reichsverfassung 1919 fragen? Sie wurde uns ja immer als schlecht in den Schulen dargestellt so voller Fehler und Schwächen. Allerdings habe ich sie mal gelesen und ich finde sie ist besser als ihr Ruf.

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    1. Die Verfassung habe ich nicht gelesen, kann mich daher nur allgemein äußern. Trotz einiger Schwachpunkte, die dann ja nach Gründung der Bundesrepublik versucht wurden zu korrigieren (Schwächung der Position des Präsidenten, Fünf-Prozent-Hürde), finde auch ich, dass man anerkennen muss, dass die Weimarer Verfassung ein großer Entwurf war, insbesondere hinsichtlich der Sozialgesetzgebung. Dies umso mehr, als es in Deutschland vorher nichts Vergleichbares gab. Auch die Möglichkeiten der Volksentscheide kann man durchaus kontrovers diskutieren.

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Vielen Dank für deinen Kommentar. Sobald ich ihn gelesen und geprüft habe, schalte ich ihn frei.
Viele Grüße
Gunnar