Mir ist unklar, warum es, abgesehen von ein paar
Bloggern und der Handvoll Journalisten, die diesen Namen noch verdienen,
niemanden in diesem Land zu geben scheint, der die Demokratie verteidigt
angesichts der Tatsache, dass die sogenannten Eliten, die um ihre
Deutungshoheit fürchten, gerade dabei sind, systematisch die Meinungsfreiheit
abzuschaffen.
Hofberichterstatter vom Schlage eines Christian
Bommarius von der Frankfurter Rundschau
und der Berliner Zeitung versuchen,
diese Tatsache zu vernebeln und verteidigen Heiko Maas und die umstrittene
Amadeu Antonio Stiftung mit höchst befremdlichen Argumenten, wofür Bommarius
den 10. Platz als „Journalist des Jahres 2016“ des „Medium Magazins“
zugesprochen bekommt, weil er, so die Begründung, mit seinem Artikel beweise,
„was für ein formidabler streitbarer Kämpfer für Demokratie, Bürgerrechte und
Meinungsfreiheit“ er sei. Zum Mitschreiben: Wenn Bommarius nichts riskiert,
weil er die herrschende Regierung von allen Verfehlungen hinsichtlich einer
Zensur freispricht, und darüber hinaus die Amadeu Antonio Stiftung weißwäscht,
deren Leiterin zufällig für die gleichen Zeitungen schreibt wie er, dann wird
ihm von Seinesgleichen außergewöhnlicher Mut und Einsatz für Meinungsfreiheit
bescheinigt. Diese Leute haben auch gar kein Schamgefühl mehr.
Schauen wir uns mal an, worum es hier eigentlich
geht. Was haben wir denen, die sich so gern als Bollwerk der Demokratie
inszenieren, in letzter Zeit an Gesetzesreformen zu verdanken, die zumeist im
Eiltempo und unter Vermeidung öffentlicher Debatten mit Tricks und
Manipulationen durchgewunken wurden?
Zunächst mal das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, mit
dessen Hilfe Internetfirmen gezwungen werden, innerhalb kürzester Zeit
schwammig definierte Inhalte (Hasskommentare, Falschnachrichten) von ihren
Plattformen zu löschen, andernfalls droht im Wiederholungsfall ein Bußgeld von
bis zu 50 Millionen Euro. Was zwangsläufig dazu führen muss, dass Firmen in
vorauseilendem Gehorsam alles blocken, was in irgendeiner Weise Anstoß erregen
könnte. Eine Beschwerdestelle für die voreilige Löschung legaler Inhalte gibt
es nicht. Jede Kritik an diesem Gesetz, wie sie Bürgerrechtsorganisationen,
Wirtschaftsverbände, der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags und der
UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit zuhauf vortrugen, wurde in
selbstherrlicher Weise ignoriert. Mit lediglich ein paar kosmetischen
Änderungen wurde das Gesetz beschlossen, ebenso wie eine Änderung des
Telemediengesetzes, nach dem künftig Nutzerverhalten ausgespäht werden kann.
Im Windschatten der „Ehe für alle“ hat die Große
Koalition außerdem nach ein paar kleinen Nachbesserungen den Staatstrojaner
durchgedrückt, noch dazu versteckt als angebliche Ergänzung eines bereits
beschlossenen Gesetzes, in dem es lediglich um die praxistaugliche Gestaltung
des Strafverfahrens ging, um garantiert jede Debatte darüber zu umgehen. Der
Bundesrat, der somit keine Möglichkeit erhielt, sich im Vorfeld dazu zu äußern,
hat erbärmlicherweise nicht von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Gesetz
zu kippen. Nun dürfen also Polizeibehörden bereits bei der Verbreitung von
Schriften, in denen zum Konsum illegaler Drogen aufgefordert wird, private
Computer und Smartphones hacken, mit Schadsoftware versehen, verwanzen,
ausspähen und heimlich Mikrofon und Kamera einschalten. Auch die Geräte
unbeteiligter Dritter dürfen derart durchleuchtet werden, sofern „auf Grund
bestimmter Tatsachen“ der Verdacht besteht, dass ein Verdächtiger diese Geräte
mit benutzt. Und zur Gefahrenabwehr, die ebenfalls schwammig definiert ist,
dürfen derartige Eingriffe in die Grundrechte der Bürger sogar fast grenzenlos
eingesetzt werden.
Geheimdienste erhalten ebenfalls durch die
Hintertür anderer Gesetze erweiterte Befugnisse. Außerdem gibt es das
KFZ-Kennzeichenscanning, die Vorratsdatenspeicherung, die Überwachungspraxis
des BND und etliches mehr. Und nach dem „Gesetz zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls“
darf die Polizei in Zukunft überall, wo es zu einem Einbruch gekommen ist, die
Daten sämtlicher Mobiltelefone in den Funkzellen der Umgebung speichern und
auswerten. Geplant ist außerdem eine Vorratsdatenspeicherung für Postsendungen,
die Erfassung aller Reisebewegungen, flächendeckende Gesichtserkennung,
Datenverknüpfungen und und und.
Für alle, die es immer noch nicht wahrhaben wollen
oder auf einen Dummschwätzer wie Bommarius hereinfallen, hier noch einmal in
aller Deutlichkeit, was diese Gesetze in ihrer Summe bedeuten:
1. Die Behauptung, es handele sich beim
Netzwerkdurchsetzungsgesetz um legitime Nachzensur, vernebelt die Tatsachen.
Wenn kurze Fristen und automatisierte Verfahren dafür sorgen, dass bestimmte
Artikel verschwinden, kaum dass sie veröffentlicht wurden, ist die Grenze zur
Vorzensur überschritten.
2. Es urteilen nicht länger Richter darüber, was
als strafbare Handlung gilt und vom Netz genommen werden muss, sondern in
erheblichem Umfang Laien.
3. Im Gegensatz zur Beschlagnahmung unliebsamer
Bücher und Pamphlete früherer Jahrhunderte geschieht die Zensur mittlerweile
derart subtil, dass die Betroffenen und ihr Zielpublikum häufig nicht einmal
merken, dass sie Opfer von Zensurmaßnahmen sind, etwa durch SPAM-Filter oder Algorhythmen,
die automatisch herausfiltern, was niemand sehen soll.
4. Im Gegensatz zu einer Beschlagnahmung von
Büchern werden nicht bloß einzelne Artikel, sondern häufig ganze Accounts
gesperrt; auf diese Weise wird so manchem Betreiber, der etwa mit Youtube-Videos
sein Geld verdient, die Lebensgrundlage entzogen, was mitunter einem Berufsverbot
gleichkommt.
5. Meinungsfreiheit kann nur existieren, wenn
Anonymität gewährleistet ist. Im Einzelfall müssen Dienstanbieter jedoch
Auskunft über Bestandsdaten wie Name und Anschrift geben.
6. Vor allem aber: Es geht bei diesen
Zensurmaßnahmen längst nicht nur um strafbare Handlungen, wie etwa einem Aufruf
zur Gewalt oder Volksverhetzung. Aufgrund schwammiger Definitionen und der
Auslagerung von Zensurmaßnahmen an Privatpersonen, Wirtschaftsunternehmen und
durch nichts legitimierte Organisationen wird der Willkür Tür und Tor geöffnet
und somit erreicht, was Ziel des Ganzen war, nämlich unliebsame Meinungen zum
Verstummen zu bringen.
Was ist in diesem Land kaputt, dass der weitaus
größte Teil der Bevölkerung all das schweigend hinnimmt?
Vielen Dank. Ich fühle mich so hilflos...
AntwortenLöschenJa, so geht's mir auch. Der Zug ist im Grunde schon abgefahren.
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