Im Aquarium

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Donnerstag, 28. September 2017

Die heimlichen Bedingungen des Bedingungslosen Grundeinkommens

Es gehört eigentlich nicht zum Kernthema dieses Blogs, aber weil ich im vorigen Artikel darüber geschrieben habe, dass es nicht glücklich macht, etwas leistungslos geschenkt zu bekommen, möchte ich ein paar Gedanken zum Bedingungslosen Grundeinkommen loswerden, das ja in manchen Kreisen wie der Heilige Gral zum Glücklichsein gehandelt wird.



Die offensichtlichen Fragen, die überall diskutiert werden – Wer arbeitet dann noch im Bergbau, als Minenräumer oder bei der Straßenreinigung? Wer soll das Ganze finanzieren, wo doch immer noch der Satz von Kant gilt: Wenn die einen genießen wollen, ohne zu arbeiten, so werden andere arbeiten müssen, ohne zu genießen*? –, will ich an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Stattdessen möchte ich auf die in der Diskussion vernachlässigten seelischen Aspekte des Ganzen eingehen.

Von einem Leben in Würde, wie es die Piraten so gern behaupten, kann beim Bedingungslosen Grundeinkommen keine Rede sein, im Gegenteil. Almosen haben immer einen entwürdigenden Beigeschmack. Oh, aber es seien ja keine Almosen, wenn einem das Geld zustünde, behaupten die Verfechter dieser Idee. Ändert die Bezeichnung etwas am Sachverhalt? Jeder Empfänger des Grundeinkommens weiß, dass er der Gesellschaft keinen Gegenwert dafür zurückgibt, sondern auf der Stufe eines Kindes verharrt, das von seinen Eltern ernährt werden muss, weil es noch nicht in der Lage ist, selbstständig zu überleben. Ein gerechter Lohn, der der geleisteten Arbeit entspricht, ist im Gegensatz dazu nicht zuletzt ein Ausdruck von Wertschätzung.

Zweifellos werden diejenigen, die alles für sozial konstruiert halten, an dieser Stelle einwenden, dass dafür nur die Einstellung der Gesellschaft verantwortlich ist, die Arbeitslose verachtet, dass sich ein Leistungsempfänger mit einer veränderten Einstellung der Gesellschaft zur Arbeit nicht minderwertig fühlen müsse. Das ist allerdings lediglich ein Glaubensbekenntnis. Mir scheint es im Gegenteil ein Grundbedürfnis von Menschen zu sein, sich nützlich zu machen und das Gefühl zu haben, gebraucht zu werden, zumindest niemandem eine Last und vor allem: unabhängig zu sein. Auf eigenen Beinen zu stehen, macht stolz. Abhängig zu sein, ist mit Scham verbunden. Nicht zuletzt, weil man sich der Tatsache bewusst ist, dass derjenige, von dem man abhängig ist, jederzeit seine Großzügigkeit einstellen und einen hilflos zurücklassen kann.

Die Verteidiger des Bedingungslosen Grundeinkommens behaupten außerdem, dass damit Kreativität entstünde, dass Menschen in die Lage versetzt würden zu tun, wozu sie Lust hätten und was vielleicht eher ihren Fähigkeiten entspräche. Wenn das so ist, dann frage ich mich, wer all diejenigen, die das aufgrund von Sozialleistungen bereits jetzt könnten, daran hindert. Schauen wir uns doch um: Sind die Sozialhilfeempfänger in diesem Land plötzlich alle zu Kreativen mutiert?

In Berlin kann ich jeden Tag beobachten, wie unglücklich, lethargisch oder gereizt viele von ihnen sind. Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen wird genau das vermehrt geschehen, was man bereits jetzt schon überall erleben kann. Menschen, die existieren können, ohne sich anstrengen zu müssen, sind in der Regel eben nicht diszipliniert genug, ihrem Leben einen selbstgewählten Rahmen zu geben, sich eigene Ziele zu setzen, sich selbst zu fordern.

Eines der großen Probleme von Arbeitslosigkeit, das immer wieder von Betroffenen artikuliert wird, ist die Schwierigkeit, einen eigenen Tagesrhythmus zu finden und nicht einfach noch im Bett liegen zu bleiben, weil da draußen sowieso nichts auf einen wartet und es nichts ändert, ob man sofort oder zwei Stunden später aufsteht. Schon jetzt gibt es etliche Menschen, die nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen, die sich langweilen, den ganzen Tag vorm Fernseher sitzen oder aggressiv werden und Streit suchen, um die Leere in ihrem Inneren zu füllen.

Ja, zweifellos werden einige andere mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen im Rücken kreativ sein. Ein bisschen schreiben. Ein bisschen malen. Ein bisschen musizieren. Ein bisschen Theater spielen. Ein bisschen, eben. Es steht ja kein Druck dahinter. Wir werden also noch mehr Belangloses von denen bekommen, die es sich leisten können, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Wie die Kinder reicher Eltern, die sich konsequenzlos in diesem oder jenem Bereich ausprobieren dürfen. Wie Frauen, denen ihre Männer ein kreatives Hobby finanzieren. Wie ewige Studenten, denen ihre Eltern wechselnde Ausbildungen bezahlen, die allesamt abgebrochen werden. Wie Menschen, die vieles anfangen und nichts beenden, denen die Motivation, der Mut oder die Kraft fehlt, ihr Leben in dieser Welt in die Hände zu nehmen, und die es deshalb auch in einer besseren nur halbherzig anpacken würden.

Kreativität braucht Herausforderung. Wer kreativ sein will und dabei scheitert, wird entweder aufgeben, und so jemand hat in der Kunst ohnehin nichts verloren. Oder er wird die Herausforderung annehmen und darum ringen, noch besser zu werden, um sich zu behaupten, neue Wege suchen, um sich durchzusetzen, über das Naheliegende hinausgehen und sich nicht mit Mittelmaß in der eigenen Arbeit zufriedengeben, mit anderen Worten: sich bis zum Äußersten fordern. Das und nur das sind die Menschen, die die Welt voranbringen, nicht nur in der Kunst, sondern ebenso in der Wissenschaft, der Politik, der Wirtschaft.

Wohlgemerkt: Ich rede hier nicht der Not das Wort, ich unterstütze keineswegs die konservative Ansicht, ein Künstler müsse arm sein, um Großes leisten zu können. Aus genau diesem Grund trete ich für einen Mindestlohn ein und würde beispielsweise das Prinzip des Urheberrechts mit Zähnen und Klauen verteidigen, denn dabei geht es um angemessenen Lohn für erbrachte Leistung. Aber Kreativität entsteht nicht im Schlaraffenland.

Dies ist nicht der Garten Eden, sondern die Erde. Im Garten Eden bleiben alle Kinder, weil sie in den Tag hineinleben wie die Eloi in H. G. Wells’ Zeitmaschine. Zum Erwachsenwerden gehört, die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, was voraussetzt, für seine eigene Existenz zu sorgen. Es ist der Umgang mit Schwierigkeiten, der uns wachsen und unsere Persönlichkeit reifen lässt.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist, so gesehen, ein Stück Realitätsverweigerung. Es setzt eine unselbstständige, infantile Geiz-ist-geil-Gesellschaft voraus, die den Zusammenhang zwischen Säen und Ernten nicht wahrhaben will. Deshalb ist es kein Zufall, dass diese Debatte ein starkes Echo ausgerechnet in einer Zeit findet, in der viele Menschen sich von Vater Staat bemuttern lassen wollen, Opferolympiaden veranstalten und sich ungewohnten Meinungen durch Triggerwarnungen und safe spaces entziehen.


*Immanuel Kant: Bemerkungen in den „Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen“

4 Kommentare:

  1. Der Artikel zeigt, dass Wesentliches nicht verstanden wurde. Der Autor geht davon aus, dass es ein Naturgesetz gäbe, wonach alle (Männer UND Frauen) 40 Stunden die Woche arbeiten müssten. Die Entwicklung der so genannten Hausfrauenehe hatte aber schon gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Esther Vilar hat deshalb schon in den 1970er Jahren die Forderung nach der 25-Stunden-Woche erhoben. Stattdessen haben wir eine 40-Stunden-Woche(+) für Erwerbstätige und Null-Stunden-Woche für Sozialhilfeempfänger. Das ist aber nicht die Schuld der Sozialhilfeempfänger, sondern die direkte Folge davon, dass wir a) die Wochenarbeitszeit nicht der Produktivität angepasst haben und b) noch zusätzlich Frauen (aus feminismus-ideologischen Gründen und ohne flankierende Maßnahmen = allgemeine Arbeitszeitreduktion = Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt schaffen) in den Arbeitsmarkt drücken.
    Deshalb sind sämtliche Schlussfolgerungen in dem Artikel falsch.

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    1. Wie du zu deinen Schlussfolgerungen kommst, erschließt sich mir ebenso wenig wie deine Annahme, ich würde davon ausgehen, alle müssten 40 Stunden arbeiten. Und von einer Schuld der Sozialempfänger rede ich ebenso wenig.

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    2. Jeder Versuch, mit einem Linken zu diskutieren, gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln.
      Jedenfalls habe ich nirgends die Behauptung aufgestellt, Sie würden von einer "Schuld der Sozialempfänger" reden.
      Und natürlich haben Sie das mit der Wochenarbeitszeit nicht verstanden, sonst würden Sie ja erwähnen, dass eine Reduzierung derselben nötig ist, um angesprochene gesellschaftlichen Fehlentwicklungen entgegenzutreten. Stattdessen arbeiten Sie sich am "Bedingungsloses Grundeinkommen" ab, von wegen "Stück Realitätsverweigerung" und so.
      "Ein bisschen schreiben. Ein bisschen malen. Ein bisschen musizieren. Ein bisschen Theater spielen. Ein bisschen, eben." In Afrika lebt man dort seit Jahrtausenden so. Dort gibt es ein "Bedingungsloses Grundeinkommen" in Form der Natur. Auch ohne viel Arbeiten können die Grundbedürfnisse gedeckt werden. Dass die Natur dort den Menschen alles "leistungslos" schenkt, stört dort niemanden.

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    3. Pöbeleien ("Jeder Versuch, mit einem Linken zu diskutieren, gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln.") ersetzen keine Argumente.
      "Jedenfalls habe ich nirgends die Behauptung aufgestellt, Sie würden von einer "Schuld der Sozialempfänger" reden." - wie anders darf ich Ihre Bemerkung " Das ist aber nicht die Schuld der Sozialhilfeempfänger" verstehen?
      Die Argumentation mit der 40-Stunden-Woche ist nach wie vor krude und hat vor allem mit meinem Artikel herzlich wenig zu tun.
      Und Ihre Glorifizierung der Situation in Afrika ist angesichts der Lebensumstände dort einfach nur zynisch.
      Und was die Tatsache, dass ich politisch links stehe, bei unseren unterschiedlichen Ansichten zum BGE für eine Rolle spielen soll, wissen wohl auch nur Sie. Jeder pflegt halt seine Feindbilder, so gut er kann.
      Da ich über keine BGE verfüge und meine Zeit daher nicht mit hanebüchenem Unsinn vertrödeln möchte, beende ich die Diskussion.

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Vielen Dank für deinen Kommentar. Sobald ich ihn gelesen und geprüft habe, schalte ich ihn frei.
Viele Grüße
Gunnar